bittemito

Monat: Dezember, 2013

Man bleibt wohl ewig Kind

In Muttern’s Küche ist alles noch so, wie ich es schon längst götzenbildartig in mir trage. Der Kaffeeknecht faucht und ächzt ob seiner morgenstundigen Fron. In den papiernen Kaffeefilter, zweimal kantiggeknickt versteht sich, hat Frau Mama zum frisch gemahlenen Braunduftendanregendspulver wie stets eine Prise Salz und eine Messerspitze Zucker getan. Auf dem Blankholztisch, das Tafeltuch wartet noch auf den großen Auftritt; steht immer ein Teller mit Gebäck. Zum vollendeten Kaffeegenuß gehöre nunmal eine Kleinigkeit gereicht, zur Schonung des Magens. Und wenn der Kaffeeknecht mit einem finalen deutlichen Seufzen die Vollendung seines Werkes verkündet, wird der beste Kaffee der Welt in zartem Porzellan gereicht, flankiert von Untertasse und Löffel. Selbstverständlich auch bei dem, der Zucker und Kännchenmilch schon ewig verschmäht. Vielleicht dann doch ein Blätterteigteilchen dazu? Und nun, Kind, erzähl…

Ich will dir nicht entgehen

Und manchmal muß man auf die eigene Qualitätsanspruchslatte einfach rücksterzig draufknallen und sich einem vermeintlich drölfzigklassigem Tubenvideo wieder und wieder hingeben.

Was für ein Lied! Was für eine Wortgewalt! Ich für meinen Teil kann dem nicht entgehen. Und verweise kleingutklänglich auf ihn !

Christine und Joschi

Wieder und wieder hob ich den Blick, um das schlafende Geschöpf hinter mir rückspiegelig zu betrachten. An der letzten Raststätte hatten wir sie aufgelesen. Diese rotwuschelige zarte Elfe und ihren bedächtigen schmalen Freund. Christine und Joschi. Kleinstimmig war ihre Anfrage nach Mitnahme geworden. Hatte sich wohl abgenutzt an all‘ den harschen Absagen gehetzter Weihnachtspendler. Kaum vernehmbar die geflüsterte Bitte mit schüchternem Lächeln formuliert. Die Nacken gebeugt, die Mützen tief in die Gesichter gezogen, hatte sie sich wohl langsam damit abgefunden, dieses Fest der vielbeschworenen Liebe im Nieselregen irgendwo in Kaltgraudeutschland zu verbringen. Unser Gepäck machte friedlich Platz für Fremdrucksäcke und auch das schnelle Vehikel motzte nicht über Zusatzlast. So flogen wir dann viertpassagierig durch die regengraue Dämmerung gen Heimat, die so verschieden und an diesem Abend doch irgendwie die gleiche war. Anfangs plapperte Christine noch dankbar aufgeregt, dann wurden ihre Antworten einsilbiger, bis nur noch ruhiger Atemzug hörbar war. Und meinen fragenden Blick beantwortete der Liebfamosgefährte an meiner Seite nach einem Schulterblick mit einem leise lächenden Kopfnicken. Auch Joschi schlief. So querten wir weiter schweigend die Nacht mit dieser raren Fremdwertvollfracht. Und ergaben uns schweigend Gedankengetümmel, Rückspiegelverstohlenblick und Liederklang.

Não Estamos Sozinhos

Weil immer etwas übrig bleibt. Und sei’s ein Gefühl nur, ein Hauch, ein Riff vielleicht. Oder ein Name, der weiterlebt. Wir sind wahrlich nicht allein.

Zweierlei Heiligabenderinnerungen

2009

Die Brücke, die schmale gebogene Auffahrt, der Hof. Mal wieder zu Hause. Selten genug. Fünfhundertfünfzig Kilometer Nestflüchterei können nicht so oft rückgängig gemacht werden. Kahl und viel zu groß steht der Lieblingskletternußbaum als Erinnerung an längst vergangene Zeiten. Der Baum, an den bei Familienfeiern stets die trunkenen Männer einfachhalber pinkelten. Zauberhändig ein Hoflicht. Undenkbar ganz, ganz tief in der Erinnerung, als bei den Stallgebäuden noch das Plumsklo war. Spinnenvoll und bitterkalt. Die Katzen begrüßen uns. Immer schon gab es Katzen. Bei der Erinnerung an diesen einen Spitznamen endlich ein Lächeln. Frau Ahavzi. Wer gab ihn ihr? Mein Bruder? Der Drittschlüssel hängt wie seit Jahren schon in seinem scheunigen Versteck. Dann die Granitstufen zur Haustür. Tausendfach von Hand gescheuert und von Schuhen abgetreten. Der Schlüssel ziert sich wie immer ein wenig. Im Haus. So vertraut, so fremd. Still ist es. Zu still für dieses Haus. Sie fehlt. Doch wir dürfen sie noch besuchen in sterilweißer Umgebung. Und endlich kehrt auch das Lachen zurück. Wir lachen mit dieser großartigen Schippchenspringerin, mit unserer Mama Löwenherz.

2013

Kaum abwenden konnte ich den Blick vom diesjährigen Baume. Schon beim Betreten des Kaminzimmers, das allein durch seine urige Ausstattung stets Anheimeligkeit in sich barg und Traditionstreue voraussetzte, schoß mir nur ein Gedanke durch den Kopf: Früher war weniger Lametta. Es glitzerte und funkelte in türkis, rosa und silber; ersoffen das Grün des Baumes in Kitschigkeit. Fassungslos standen wir Geschwister samt Lieblingsanhänglichkeiten vor dem Baumungetüm. Frau Mama indess verkündete, sie wolle es halt mal anders haben in diesem für alle dunkeldüstrigzeitenreichem Jahr. Sie fände es schön und schlußendlich sei es ja ihr Baum. Mit diesen Worten fand noch eine Handvoll Glitzerscheußlichkeitsgefädel den Weg in den Baum. Und das jüngste Mitglied der knobloch’schen Sippe klatschte vergnügt in die Hände: Hurra! Wir haben einen Lillifeebaum! Da brach vielstimmiges Gelächter den Bann der Fassungslosigkeit.

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Drei Humpen Feuerzangenbowle später meinte sogar ich, ein Einhorn unter’m Baume weiden zu sehen.

Tag’s darauf, als ich Tischdienst hatte, gönnte ich mir das stillvormichhinkichernde Vergnügen und erschuf passend zum Baume die Lillifeekitschtraumtafel. Die ebenso wie der Baum zuvor, erst Fassungslosigkeit und dann schallendes Gelächter hervorrief. Es war unser erstes kitschfunkeligeskummerverlachendes Weihnachtsfest.

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