bittemito

Monat: Februar, 2014

Metamorphose

Ich sende Herzgrüße an einen inspirierenden Wortflanör, dessen Silbenkaskaden mich stets verzaubern. In manchen seiner Texte drohe ich mich zu verlieren, Bildgewalten tanzen ringelreihend durch meine Synapsen. Ganz neue Welten läßt er entstehen und gar neue Wahrheiten. Und so ist er auch Metamorphosenanschubser. Viele meiner Buchstabenspielereyen gäbe es nicht ohne ihn. Weil ich weiß, daß ihm übertriebene Schmeichelei nicht geheuer, sage ich schlicht: Danke, lieber Wortgetösegeistesbruder.

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Stogrammkataströphchen

Da ich zeitig beschloss, kein Kind mehr zu sein und begierig alle Erwachsenenaufgaben annahm, blieben mir wohl auch sehr frühe Erwachsenenfehltritte nicht erspart. Mit vierzehn die erste Zigarette, fast gleichzeitig der erste feste Freund. Zwar nur fummelig unsere Beziehung, denn ich hatte Frau Mama geschworen, ihren Fehler nicht zu wiederholen und bis zur Volljährigkeit zu warten, bevor ich einen Mann in meinen Körper ließ. Aber das ist eine andere Geschichte. Und um die geht es hier nicht. Bevor ich mich aus idyllischem Hinterland selbst in die nächstgrößte Stadt verpflanzte, waren meine Alkoholerfahrungen doch recht spärlich. Ein Halbglas Bier vom Herrn Papa gnädig abgegeben, ein Eierlikörchen im Waffelbecher, zwinkernd von Frau Mama gereicht oder aber die mehr wegen der Mutprobe paar geklauten Schnapskirschen, spitzfingerig aus dem Riesenglase gefischt; das waren die bisherigen Alkoholexzesse. Der Familienrat wähnte mich Sechzehnjährige sicher internatig verwaltet. Nun, Jugend findet wohl immer Schlupflöcher. Neben Abiturbüffelei, Landwirtschaftsausbildung, Sozialismuspaukerei, Stubenkontrolle und zuvor nicht in dem Maße erwartbaren Heimwehattacken fanden sich stets Mittel und Wege, abseits vom geführten Drill Abenteuer zu erleben. Wir fleißiglernwilligen Internatsregelnaustrickser erkannten flugs unser Potential. Boten uns des Abends im wundervollen Elbflorenz als Reisebegleitungskneipentippgeschichtenerzähler an. Spielend leicht lernten wir dürftiges Reiseführerostdeutsch auswendig und fügten phantasievolle Eigenkreationsanekdoten ein. Lungerten vor den Prachtbauten herum und investierten verdientes Trinkgeld sogleich in Museumseintritte, Opernaufführungen, Theaterbesuche und manchmal ganz profan in Gasthausschlemmereien. Eines Abends hatte eine Gruppe rustikaler Russen an uns einen Narren gefressen. Ende einer orbitösen Kultur-, Fress- und Sauforgie war mein persönliches Stogrammkataströphchen. Nach nur drei Gläsern kippte ich der Erzählung nach einfach unter den Tisch und verschlief den Rest des Abends. Seelig lächend, so hieß es anderntags. Die Russen hatten noch ein Transporter organisiert und der Trupp fiel angemessen krawallig mich darselbst abliefernd im Internate ein. Die erwartbare Strafe fiel allerdings aus, es waren ja schließlich unsere damaligen sozialistischen Brüder. Allerdings ist mir Wodka bis heute suspekt.

Diese Geschichte kitzelte die fabulöse Frau Stefanini aus dem Gerölle meiner Erinnerungen. Und weil das fetzt, lege ich ihre eigene Wortjongliererey jedwedem in die Pupille und an’s Herz.

Obacht, Furie quert!

Hey, ihr protzpöbelnden Provinzprinzen! Ich ertrage euer joviales Poltergelächter nicht mehr. Ihr schaut von eurem Thrönchen hinab auf’s Völkchen, beziehungsweise auf die redlichen Menschen, die ihr als euer Volk anseht. Aber ihr habt es mit selbstständig denkenden Menschen zu tun. Zumindest zumeist. Nur weil Ihr mit Geldscheinen wedelt, angehäuft durch Vetternwirtschaft, Mauscheleien und Betrug, fallen wir nicht mehr auf euch rein. Natürlich nutznießt ihr aus der grauen Jasagermasse, die, mit Bierchen und Schnittchen gewogen gemacht; euch die Treue schwört. Schaut genau hin, ihr Breitgrinserundgenausodasitzer, es schrumpft, euer Duckmäuserhäufchen. Eure wedelnden Stinkgeldscheine könnt ihr euch gernst da reinschieben, wo andere nur außen den Dreck abwischen. So kommt wenigstens Scheiße zu Scheiße. Ich will sie nicht mehr hören, diese Zusammenhaltparolen und Baldparadiesversprechen. Mit euren Bauplänen und geplanten Neuterrorkonsumtempeln macht ihr Provinzidylle endgültig austauschvorstadtgleich. Baut draußen auf den Feldern amilandgleiche Schnellstaufstellhütten mit Einquadratmetervorgärten und schön bunt angemalt, damit das mühsam angesparte Eigenheim aus der Masse herausragt. Eure eigene Protzpaläste sind verbaut hinter Mauern und kameraäugig bewacht. Die Werbetafeln immer blinkbunter, die Lastkraftwagen immer imposanter, vollbeladen mit dem ganzen Chinataiwanindiendreck, den kein Mensch braucht, der aber in den von euch gebauten Bedürfnisserweckungshallen feilgeboten wird. Ich prangere nicht die Dusseligkeit der Menschen an, sondern die Verwerflichkeit euren Handelns. Was einst Handel war, ist zur Raffgiermenschtierundpflanzenverachtung geworden. Erstickt doch an eurem Plastikkartenersatzfick, ihr Nurnochgeldgeilenarschgesichter.

Pardon, das mußte raus. Jetzt kann ich wieder atmen.

Vor Brechlust fast vergessen: Die passende Musik zur Furienkübeley:

Verwegene Verse XIV

Ich war mal verbandelt mit einem Herren aus Celle,

der liebte die Beglückerey stets auf die Schnelle.

Mir ging die Juchzerei zwar meistens zu fix,

doch ich mochte ihn sehr und sagte nix.

Er pflegte die Bahnreiserei, gern im Abteil,

kaum fuhr der Zug an, Vorhänge zu, weil

er mich flugsgierig in die Sitze drückte,

aber eher sich selbst nur beglückte.

Eines Tages, es war mitten im Märzen,

beliebte die Bahn mal wieder zu scherzen.

Statt mit dem Zug reisten wir im Busse.

Nix mit Gefummel und gierigem Kusse.

Doch der Herr konnte kaum an sich halten,

ich sollte meines händischen Amtes walten.

Er bettelte, quengelte und bewisperte mich.

Ich konnte nicht anders, so ergab es sich.

Heimlich unterm Mantel, dem schönen,

brachte ich ihn zum sanften Erstöhnen.

Das Ende der Geschichte betrübte mich sehr:

ab da wollte er nur noch Schienenersatzverkehr.

Diese Verwegenen Verse widme ich der tapferen Madame Lila, die mich durch ihren vermaledeiten Sturz erst auf die Idee brachte. Gute Verbesserung, werte Frau Lila.

Fast verpasst

Paß auf dich auf, hast du zum Abschied gesagt. Und ab da gelang mir gar nichts mehr. Hasenfüßig und scheuäugig ging ich durch die Welt, immer aufpassend auf mich. Richtete meinen Blick nur vor meine Füße, ertastete zögerzehig jeden weiteren Schritt. Leiselautige Worte hauchte ich nur noch. Wagte kaum, die Stimme zu erheben. Aus Aufpassen wurde Abpassen. Fluchten nutzen, nicht bildmittig erscheinen wollte ich mehr. Suchte die Geborgenheit, die sich selbst in den Schatten zu verbergen schien. Und meine Flüsterworte verdichteten sich von Fremdohr ungehört vor meinem Antlitz zu einer wabernen Wolke, einem undurchschaubaren Silbenschleier, der sich mit den Schatten vermählte. Bis ich mich schließlich komplett diesem Graugemenge angepasst hatte. Dermaßen kokonig eingehüllt blieb mir alle Welt verschlossen, ich passte mir allein. Aus dem Alleinsein erwuchs anfangs ein tiefer Frieden, der jedoch immer wieder feinen Nadelstich bekam. Was, wenn ich schon so vieles verpasst hätte?! Und aus den Nadelstichen wurden Risse und fremdlautige Silbenklänge durchdrangen meinen Kokon. Meiner Eigensprache schier verlustig, weckte nach und nach eine fremde wieder Wortverliebtheit, Silbenbalanciererey. Ich war deinem Auftrag hörig geworden und habe zu sehr auf mich aufgepasst. Fast hätte ich mich dabei verpasst.

„Neste meu hábito surpreendente de te trazer de costas
neste meu desejo irreflectido de te possuir num trampolim
nesta minha mania de te dar o que tu gostas
e depois esquecer-me irremediavelmente de ti

E no FIM disto tudo um Azul-de-Prata.“

António Maria Lisboa/Rêve oublié

„In diesem meinem Gewand das überraschenderweise dich auf dem Rücken trägt    in dieser meiner gedankenlosen Begierde dich auf einem Sprungbrett zu besitzen     in dieser meiner Sucht dir alles was du willst zu geben     und dann unabänderlich alles von dir zu vergessen

Und am Ende von alledem ein Himmel von Silber.“

Übersetzung: Dirk Müller