Fast verpasst
von Käthe Knobloch
Paß auf dich auf, hast du zum Abschied gesagt. Und ab da gelang mir gar nichts mehr. Hasenfüßig und scheuäugig ging ich durch die Welt, immer aufpassend auf mich. Richtete meinen Blick nur vor meine Füße, ertastete zögerzehig jeden weiteren Schritt. Leiselautige Worte hauchte ich nur noch. Wagte kaum, die Stimme zu erheben. Aus Aufpassen wurde Abpassen. Fluchten nutzen, nicht bildmittig erscheinen wollte ich mehr. Suchte die Geborgenheit, die sich selbst in den Schatten zu verbergen schien. Und meine Flüsterworte verdichteten sich von Fremdohr ungehört vor meinem Antlitz zu einer wabernen Wolke, einem undurchschaubaren Silbenschleier, der sich mit den Schatten vermählte. Bis ich mich schließlich komplett diesem Graugemenge angepasst hatte. Dermaßen kokonig eingehüllt blieb mir alle Welt verschlossen, ich passte mir allein. Aus dem Alleinsein erwuchs anfangs ein tiefer Frieden, der jedoch immer wieder feinen Nadelstich bekam. Was, wenn ich schon so vieles verpasst hätte?! Und aus den Nadelstichen wurden Risse und fremdlautige Silbenklänge durchdrangen meinen Kokon. Meiner Eigensprache schier verlustig, weckte nach und nach eine fremde wieder Wortverliebtheit, Silbenbalanciererey. Ich war deinem Auftrag hörig geworden und habe zu sehr auf mich aufgepasst. Fast hätte ich mich dabei verpasst.
„Neste meu hábito surpreendente de te trazer de costas
neste meu desejo irreflectido de te possuir num trampolim
nesta minha mania de te dar o que tu gostas
e depois esquecer-me irremediavelmente de ti
…
E no FIM disto tudo um Azul-de-Prata.“
António Maria Lisboa/Rêve oublié
„In diesem meinem Gewand das überraschenderweise dich auf dem Rücken trägt in dieser meiner gedankenlosen Begierde dich auf einem Sprungbrett zu besitzen in dieser meiner Sucht dir alles was du willst zu geben und dann unabänderlich alles von dir zu vergessen
…
Und am Ende von alledem ein Himmel von Silber.“
Übersetzung: Dirk Müller
Wie immer bin ich hochverzückt von Kätchens Schönschreibworten. :-)
Hochverzücktheit fetzt natürlich, meine Liebe. Ich danke herzfeinst.
Da schließe mich doch gleich nandalya an. Sehr schön geschrieben :) Einerseits stimmt es zwar, dass man sich nicht allzu sehr von der Welt abkapseln sollte, aber wenn ich mich sehe, mag ich es ab und an sehr gerne nur für mich alleine zu sein, nur meinen Gedanken nachzuhängen oder als stiller Beobachter dazusitzen und die Welt zu betrachten ….
Ein jeder muß wohl seine Mischung zwischen Abkapseln und Offenheit finden. Doch wer nur auf sich aufpasst, dessen Sinne verpassen tatsächlich sehr viel. Eigenleiderfahrung. Gut, wenn man daraus zu lernen vermag.
Der Gang zwischen Innen und Aussen: ein voraussichtig ausgreifendes Schreiten auf dem Seil über einen tiefschlündigen Abgrund.
Wochenendlichschöne Grüsse vom Schwarzen Berg, Ihr Herr Ärmel
Wunderbarst gesagt, mein lieber Herr Ärmel. Ich grüße hinein in einen wahrlich vorfrühlingshaften Februartag, schwankend zwischen Freude darob und Wintersehnsucht, Ihre Frau Knobloch.
Komme gerade von der Küste unten her unter unschön bedecktem Himmel und nach einem Mittagsmahl bei einem durchaus empfehlenswerten Thai fällt dann doch ein: Es muss alles anders werden ~~~
Auch ich kehrte ebenst von Gartenarbeit (Wir schreiben den 23.igsten Hornung!!!) in die Schreibstube zurück und denke: Wenn’s anders werden würde, wäre es denn besser?
Diese leidige Frage findet ihre Beantwortung allemal erst nach einer entsprechenden Aktion. Ich agiere heute bestenfalls noch auf dem Sofa liegend eine Schnapsflasche in Griffweite. Dass vielleicht am späteren Abend der Tatort…
Schnapsflasche in Griffweite…ohohoh. Immerhin sofaliegenderweise. Bleiben Sie dann aber bitte auch dort verortet.
ich verabschiede mich sofawärts Ihnen dankend für die trostreichen Kommentare und wünschend einen allerschönstfeinen Sonntagabend
Saufen Sie von mir aus die ganze Pulle, aber ersaufen Sie bitte nicht in Ihrem Kummer, wess‘ Natur er auch immer ist. Ich denke an Sie.
Ach hochverehrte Mrs. Knobloch, ich bin nie und werde nicht ersaufen schon garnienicht im Promillestrudel. Manchmal sind Gefühle und Gedanken sehr on the road und dann werden die Schuhe staubig, iss so und nicht anders.
Mögen die guten Geister Ihr grosses Herz von jedweder Unbill bewahren, dies wünscht Ihnen aufrichtig, Ihr Herr Ärmel
Ach, verehrtester Lieblingsärmel, ein jeder hat doch diesen Graustaubigverschwommenblick so ab und zu. Wenn dann jemand nur ein paar kleine Großherzensworte spendiert, ist oftmals schon die Schwermuth hinfortgeblinzelt. „Geben und geben lassen.“ so formulierte es die liebe Madame Contraire. Und so denke ich. Aufrichtig ebenso grüße ich herzfein zurück. Ihre Frau Knobloch.
Sonnenblinzlige Grüsse für Sie und Ihre wohlwärmenden Worte.
Besteste Grüsse vom Sonnenschwarzen Berg
Gerne immer wieder. Für Sie halte ich ein Extraschübchen Wohlwarmworte bereit. Ihre Frau Knobloch.
Dieser Angenehmehre bin ich mir durchaus bewusst und willens damit entsprechend vorsichtig umzugehen. – Ihr Herr Ärmel
Ich hege diese meine Warmwortschübchen innig und achte darauf, daß sie sich immer mehren. Wenn Sie also mal ein Kiepchen mehr brauchen – nur beherzt zugreifen, mein lieber Herr Ärmel. Aber Sie haben natürlich auch Recht. Ist wie mit dem Chili. Ein Schötchenstückse zuviel…herrjemitdreifachmineh.
Ich sehe, wir verstehen uns – und darüber freue ich mich allerschönst. Truly yours Mr. Ärmel (on the road again: to the washing machine)
Da mir Allerschönstfreude die allergernstigste ist verbleibe ich angemessen angetan als Dieimmerihrige.
Ihre Worte lassen Geschichten entstehen. Und dazwischen leuchtet der Himmel. Sie Sprachfloristin.
Ich dankesehre Ihnen, mein lieber Dachkammerpoet. Und sende Herzenssonntagsgrüße in die selbige.
WOW! Ihre Worte verleihen meinem derzeitigen Gemütszustand Flügel! Sprachlos begeistert, bitte ich hoffnungsvoll darum sie re-zitieren zu dürfen???
Bittefeinst und Dankesehrst. Hiermit seien sie zur Rezitatadoption freigegeben. Wenn’s vielleicht anderen bei der Entkokonisierung hülfe…
auf sich zu achten, ist etwas gutes. es ist schön, wenn es jemanden gibt, der sagt: pass gut auf dich auf. welche bedeutung worte für einen menschen haben, das ist sehr unterschiedlich, es kommt häufig auch darauf an, aus wessen mund sie gesprochen werden. man bekommt eine menge mit auf den weg…
jedenfalls freue ich mich, dass die wort-lust wieder da ist.
alles liebe von nebenan.
Im Grunde habe ich die Aufpassantragerei vieler, gut gemeint mit Sicherheit; auf eine Stimme reduziert. Diese Vorstufe der Selbstaufgabe, um es ja nur allen anderen recht zu machen. Ich bin sicher, Sie kennen das…
Ich freue mich auch murmelig, das die Silbenbasteley wiedergekehrt ist. Bin selbst manchmal angemessen fassungslos. Und gebe alles Liebe nach nebenan gernst zurück.
Melancholie legt sich gern in fremde Betten. Selbstmitleidende Sumpfgebiete um nicht das feuchte Wort zu sagen. Wabernde Brücken aus fragilen Emotionsgräslein geflochten. Man findet wieder in frischbunte Wortgefilde, nicht wahr!?
Traurig wäre es in der Tat, würde man in Sumpfgebieten versinken. Da halte ich es mit Herrn Hieronymus von Münchhausen und zerre flugs am eigenen Schopfe mich aus der Matschquatschpamperey.
Verehrte Frau Knobloch, liebe Käthe!
Ich habe es versucht, doch an diesem Text komme ich ohne einen Kommentar nicht vorbei. Und sei es nur ein Abhierwundertmichnunnichtsundgarnichtsmehr!
Danke dafür, dass Sie hier (im Blog insgesamt) so großzügig und großmütig teilen.
Darüber hinaus nehme ich den Gedanken mit, dass manchmal eine Fremdsprache wieder zur Sprache führen kann. Ich ahne, dass ich diese Idee noch einmal weitergeben darf.
Und jetzt, da ich das Wichtigste gleich zu Anfang gesagt habe, noch eine kleine Anekdote – in aller Kürze: Mir wurde genau nur einmal beim Ausgehen nicht ein Tuordentlich mitgegeben und das Ergebnis liegt jetzt noch zu Hause im Bett.
Insgesamt hinterlässt Ihr Text heute beim wiederholten Lesen den Eindruck, dass es schon ganz gut war, so wie es passiert ist. Sie schreiben selbst von Kokon und Silberfäden. Was anderes hätte aus Ihnen werden können, als ein hell schimmernder Schmetterling?
Mit den besten Wünschen für einen wundervollen Tag, die Ihre
Ach, meine liebe Marga, Sie erkennen mich. Besser vielleicht, als ich selbst das tue. Selbstbildnisse sind ja immer die spiegelverkehrtesten…
Mit der Sprachwiederfindung durch eine gänzlichst fremde, das will und kann ich nur bestätigen. Es ist wie ein fremdes Gestade, daß man erst nur mühsam, zögerlich erkundet, Steine, Muscheln, Seesterne erkennt und sammelt und darob das tosende Wortmeer vergißt, das einen zu verschlingen droht.
Ich danke Ihnen für Ihre treue Zugeneigtheit und Ihre fühlbare Nähe, immer die Ihre.