Besamererstmaligachtsambericht
von Käthe Knobloch
„Pfoten weg!“ Sirrend zerteilt das strohhalmdünne Plastikrohr in meiner zuckenden Hand die schwülwarme Stinkluft und klatscht mit dumpfen Plop auf das grobmaschige Arbeitshosenhinterteil von Andreas. Der grinst gequält schief und reibt sich übertrieben jaulend seine Rückseite. „Ich wollte doch nur Spaß machen und sehen, ob du genauso gut stehst wie deine Sauen.“ mault er und widmet sich weiter seinem Tun. Wir stehen zu acht in einer Reihe in dem abendruhigen, flackerlichtigen Schweinestall, gummibestiefelt im Scheißekanal, vor uns Sau an Sau in ihren Drahthalbgittern, die Stummelschwänze zu uns gekehrt. Die ohnehin atemraubende Luft ist durch den scharfen Geruch des die Sauen betören sollenden anwesenden Eber noch bissiger als tagsüber. Der sonst so wortkarge Willi zu meiner Linken zwinkert mir zu und sagt mit gefährlich leiser Stimme: „Andi, wenn ich sowas nochmal mitkriege, dresche ich dich windelweich.“ Ich antworte ebenso leise: „Danke, Willi, mit der Dumpfbacke komme ich alleine klar.“ Andis Kopf wird noch eine Spur dunkelroter, als er durch die Anstrengung des Schweinaufrüstens eh schon ist. Einen springbereiten Eber zu imitieren ist eine kraft- und konzentrationsreiche Angelegenheit. Die beherzten Seitengriffe knapp an den Hinterbeinen, verbunden mit der vorgetäuschten Aushebung der paarungsbereiten Sau, die ein Eber spielend mit seinem Rüssel vollbringt sind für uns Menschen wie Kraftsporttraining. Und genau diesen Seitengriff versuchte Andreas bei mir anzusetzen. Doch ich bin mit meinen sechzehn Jahren weit entfernt von jeder Paarungsbereitschaft, vor allem nicht mit einem Flachwichser wie Andi. Lieber täte ich es mit einem Schwein. Und genau das flüstere ich ihm mit sanfter Stimme zu, während ich meine inzwischen stocksteif stehende Sau besteige. Willis Grinsen geht über in schallendes Lachen, so daß auch die anderen Besamer aufmerksam werden. Ich kniee linkslastig auf dem rundbuckeligem Tier und führe vorsichtig die sterile Pipette ein. Den körperwarmen Beutel am Ende drücke ich sanft, fast massierend, bis die milchige Flüssigkeit entleert ist. Behutsam den Plastikhalm wieder raus, noch ein wenig auf dem Saurücken und an den Flanken rumklopfen, geschafft. Mein erstes Mal. Das Gemurmel der anderen klingt wie warmer Applaus und Willi reicht mir ein Bier. „Das erste Mal muß begossen werden! Bravo, meene Kleene und willkommen im Besamerklub!“ Und Andi knallt seine Flasche gegen meine und murmelt was von ungewohnt und Mädchen. „Tja, Andi, von der Kleenen kannste dir was abgucken, die behaltenwa!“ sind sich die restlichen Mannsgestalten sicher und ich ward die jüngste Besamerin jener Zeit, das Zertifikat bereits halb in der Tasche.
Großes Kino :-D
Bei einer Verfilmung könnte ich mich selbst spielen, es ist wie Fahrradfahren, deucht es mich…
Danke und herzliche Grüße in die Droschke, Ihre Frau Knobloch.
Faszinierend. Der Text, der Rückblick und die Tatsache(n).
Ich staune immer über die Verwunderung, wenn ich diese Geschichte erzähle. Wie anders, als durch künstliche Besamung söllte sonst die Massentierhaltung möglich sein. Ich habe auch ein Praktikum auf einer Bullenspermastation gemacht, für mich ist das alles gänzlichst normal. Vielleicht söllte ich solche Geschichten doch öfter teilen, meine Liebe.
Herzlichst die Ihre, Ackerdame und Viehhirtin.
Meine Liebe, vielleicht ist es nicht unbedingt das Thema, die Tatsache, dass Sie ein Zertifikat in diesem Fachgebiet erworben haben. Mir fiel dabei vor allem auf, dass Ihr Schreibstil so gänzlich … ja, sachlich, unverblümt, und dennoch ganz Käthe ist, und ganz nah und vor meinem geistigen Auge wie immer einen kleinen Film produzierend. Ohne Weichzeichner, dieses Mal. Das wollte ich wohl damit zum Ausdruck bringen.
Herzlichst, Ihre begeisterte Madame
Oh, ich schreibe wohl unterbewußt angemessen, meine Liebe. Danke für diesen Nasenstupser. Und in der Tat, hier ins blumige, verspielte abzugleiten, es wäre unerträglich kitschig und sogar süffisant geworden.
Ich bin tatsächlich viele, es bestätigt sich immer wieder. Herzliche Grüße, zugetan wie stets, Ihre Knoblochmischpoke.
Sie sind und bleiben nun einmal ganz Dame, in jeder Situation, angemessen. Ein schönes Wochenende wünscht Ihnen und der ganzen Mischpoke, mit damenhaften Grüßen,
Ihre zugetane Madame
Ich musste erst den Text lesen, um die Überschrift lesen zu können! Besamer, jetzt kann ich es zuordnen. Respekt! Sie können mit Wörtern umgehen, und was für eine ungewöhnliche Geschichte. Ich wusste nicht, dass man das „so“ macht, und erst recht nicht, dass Sie das so machen! Es ist ein Genuss, hier zu lesen. :-)
Ja, so ein Blog hat ja auch einen gewissen Bildungsauftrag, meine Liebe. Wenn Sie Interesse an ungewöhnlichen Geschichten haben, sind Sie hier richtig, es ist sehr bunt gewesen, mein Leben und wird bunt bleiben. Und ich teile mich gerne mit. Danke für die Wohlworte, sie erfreuen mich. Herzlichst, die Ihre.
Wenn es damals schon Puschelnde Waschbären gegeben hätte, die hätten Spalier gestanden :-)
Da wäre der anwesende Eber wohl endgültig ausgetillt, oder der Andi…
Hahaha… Oder beide ;-)
Grandios. :D
Oh, danke, nur eine schlichte Beschreibung und ein Einblick, was tagtäglich in tausenden Ställen passiert. Nunja, vielleicht nicht gerade durch sechzehnjährige Mädchen…
Nanana. nicht so bescheiden, liebe Frau Knobloch. Ich finde es wirklich sehr gut beschrieben. :)
Ich freue mich gerade dusselig darüber, weil ich dadurch und durch Madame Contraire erst erkenne, wie anders ich doch schreiben kann. Sachlich und doch knoblochig. Danke, es ist mir ein wichtiger Schritt. Fetzt!
Ich fand das „Plop“ gut. :-) Aber nicht nur.
Plumpe Pamperei wird gerne in Plops belohnt, meine Liebe. Auch heute noch. Grüße ins Elfenheim, schön, daß ihr wohlbehalten zurück seid.
Samen zu legen, war offenbar schon immer eine Ihrer Aufgaben…
Ein interessanter Gedanke, liebe Marga, ich lasse ihn mal keimen…
Ich hatte neulich eine Unterhaltung über die Intelligenz von Schweinen. Nachdem ich mir den Artikel nun 3 mal durchgelesen hab und mich wieder beruhigen konnte, frage ich mich, was haben die Tiere wohl gedacht, als diese ihre Besamer/innen beim Bier trinken bewundern konnten?
Feuchtfröhliche Grüße!
Es hatte gewichtige moralische Gründe, warum ich mich von der Landwirtschaft abwandte, besonders als die Viehzuchtanlagen immer größer und industrieller wurden. Der Hunger von uns Menschen, er wird nur durch Imitation der natürlichen Abläufe gestillt, gestern wie heute. Über die Intelligenz von Schweinen könnte ich Ihnen vieles erzählen, doch einiges wäre unerträglich traurig dabei.
Das Bier war übrigens Taufausnahme, es herrschte strenges Alkoholverbot am Arbeitsplatze.
Herzliche Grüße, der Lesebefehlsknecht kündete vom Orion. Mein Orion, mein Lebensbegleiter! Ich purzelbaume zu Ihnen…
Ich hab Ihre Geschichten gern, so wie Sie. Herzlichst, Melanie
Hach, Sie feintreue Liebbeworterin, danke und dito. Genauso herzlich zurück, Ihre Käthe.
…damit das nicht falsch verstanden wird, ich hab‘ damit nix zu tun… :-O Viele Grüße WILLI ;-)
willi von Mickzwo und Sie schossen mir tatsächlich durch den Kopf, aber ich ließ die Namen wie sie sind. Mein Willi war schließlich ein famoser Feingeselle, also passt das schon. Liebe Grüße zurück, so von Schwarzkittelfreundin zu Schwarzkittelfreund.
:-) das ist fein, als ich Willi las und das mit dem manuellen besamen und so, dachte ich „ups“ und musste doch lachen. Ebenso zottelige & feuchtnasige Grüße zum Wochenende zurück :-) Ihr Willi
Allein, wenn ich mir diese vorfrühlingsfremden Gerüche am Ort des Geschehens vorstelle…
WollenSe die volle Dröhnung, liebe Frau Wildgans? Na gut, ich teile ja gerne, bitte imaginieren Sie: Beißender Uringestank, umwabert von diesem fast schon würzigem Kraftfutterkartoffeldampfkot, zwischendrin saurergeronnene Fähnchen der beigetränkten Molke, der unverwechselbare animalische Geruch, den Schweine ihr eigen nennen dadurch, daß sie nicht zu schwitzen vermögen, vermag diesen Dunst kaum zu durchdringen und dann beißt sich noch der scharfe Eberduft in die Nase. Ich glaube, diesen Geruch werde ich meinen Lebtag nicht vergessen.
So krass dann der tröstliche Gegenduftentwurf, wenn ich nachschichtlich in den Abferkelstall mich schlich. Warmstrohrotstrahlergeruch, der Mutterschweinduft, der doch plötzlich aus jeder Pore zu tropfen schien, ein leichter Eisenhauch vom Blute und der unvergleichliche Duft des neugeborenen Lebens, in dem eingebettet Zarthauche der süßen Milch schwebten…
[…] die Handbremse, daß ich fast über den Lenker des ungewohnten Schwägerinnenvelos abstieg. “Willi? Mein Willi?” Dann schaute ich angestrengt zum Wohnhause […]