Blaupause- Frau Liebling tölpelt (Farbstudie I)
„Hey, Sie können ja Gedanken lesen!“ warmte sich die Blaustimme erneut in Heides Ohr. Der famose Herr Schatz hatte blitzschnell den Korb mit den Leckereien aus der Hand gleiten lassen und sie stützend umfasst. Verständnislos hob sie den Blick und die Lachfaltend in seinem verwegenen Antlitz vertieften sich bei der Antwort: „Ich habe mich gerade gefragt, wie es wohl so ist, Sie in den Armen zu halten.“ Heide fühlte einen Hauch von Hitze über ihr Gesicht gleiten und löste sich verlegen aus seinem sanften Griff. ‚Bloß gut, kannst du keine Gedanken lesen‘ lächelte sie vor sich hin, während er auch den Eimer mit den leise klirrendem Glaseisinhalt abstellte. Jetzt erst sah Heide die Schönheit dieses Fleckchens Erde: Unter leise raschelndem Hochgrün bildeten Sträucher kleine Dickichte, auf denen die Lichtreflexe tanzten, die durch die schwankenden Baumwipfel hindurch blauend blitzten. Ein Bachlauf querte die Moosastidylle, wand sich um kleine Felsen und staute sich ab und an vor umgestürzten Stämmen. Das Wasser schimmerte in allen Grüntönen bis in ein türkises Blau hinein. Jetzt konnte sie auch das Flüstern sich erklären, das sie immer näher zu rufen schien, während sie Herrn Schatz sinnierend gefolgt war. Und sie außerdem nun ihrer eigenen Dummheit gemahnte. Hatte sie doch die Toilette des freundlichen Herrn Emrahs ignoriert. Sollte sie jetzt hier… mitten im Wald? „Wenn Sie sich etwas frischmachen wollen, da gleich um den Felsen herum, da weitet sich der Bach zu einem kleinen Becken, da können Sie sogar bis zur Hüfte im Wasser stehen“ baritonte es sich wiedermal passend in ihr Gehadere. „Nehmen Sie Lady mit, die gibt acht auf Sie.“ Mit einem knappen Pfiff rief er das schöne Tier herbei, das die ganze Zeit in Augenkontakt mit ihnen durch den Wald gelaufen war. Schwanzwedelnd war Lady sofort an ihrer Seite und schien sie erwartungsvoll anzuschauen. Ohne weiter nachzudenken, folgte sie dem Bachlauf und der Hund sprang fröhlich voraus. „Ich tische derweilen mal auf, Sie müssen ja vor Hunger ganz knurrig sein.“ klang es ihr hinterdrein. ‚Wenn du von meinem Hunger wüßtest…‘ schoß es ihre durch den Sinn, was sie selbst erschrecken ließ. Der machte sie noch verrückt, dieser Mensch, der immer alles richtig zu machen schien. Und sie zum Glühen brachte. Oder war das noch die Stadthitze, die auf ihrer Haut Polka tanzte? Kurzentschlossen zog sie den marineblauen Rock aus und kletterte vorsichtig die glitschigen Steine hinab in das Naturbecken.
Tatsächlich reichte ihr das gänsehautmachend kalte Wasser bald bis zur Taille. Lady blieb auf den Moossteinen bei dem Rock liegen und äugte aufmerksam in alle Richtungen. ‚Waschzeit!‘ dachte Heide und zog sich auch die Bluse und den häßlichen, aber praktischen Sport-BH über die Schultern und wusch beides sorgsam durch. Gleiches geschah dem blauen Spitzenhöschen und mit einem Anflug von Scham pinkelte Heide sodann in das fließende Wasser. Hielt erschrocken inne, nein, das Wasser floß weiter weg von ihr und dem Platz, wo Fred auf sie wartete. Erleichterte sich weiter und summte schließlich leise beim Baden. ‚Beckenbodentraining, besser gehts nicht…‘ dachte sie und kicherte vergnügt bei der Vorstellung, diese Methode in der Muckibude vorzuschlagen. ‚Die rosa Fitnessmaus würde vermutlich vor Scham im Mattenboden versinken…‘ Heide fing übermütig an, im Wasser herumzuplantschen und ehe sie sichs versah, entglitten ihr Bluse und Unterwäsche und wurden vom Murmelbach weitergetragen. Sie hechtete nach ihren Sachen und bekam wenigstens das Höschen zu fassen. ‚Scheiße, was mache ich denn jetzt?!‘ Mit sich selbst schimpfend kletterte sie auf die Steine, zog das nasse Höschen an und hockte sich neben die blauschimmernde Lady. „Was ihr wohl langsam von mir Tölpel denken müßt, du und dein mich kirre machendes Herrchen!“ Der Hund antwortete mit seinem typischen einfachen Bellen und es dauerte nicht lange, da erklang die dunkelfragende Stimme des Kirremachers hinter ihr: „Alles in Ordnung? Etwas passiert?“ Heide schilderte leisstimmig ihr Mißgeschick und konnte einfach nicht anders: Das umwerfende Lachen von Fred steckte sie schließlich an. „Keine Sorge, meine Liebe,“ japste der nach einer Weile. „Zwar hätte ich nichts gegen ein barkleidiges Picknick einzuwenden, doch ich habe noch ein Leinenhemd dabei, ich wollte heute eh hierherkommen und mich erfrischen. Ich hole es Ihnen schnell aus dem Korb und springe dann ins Wasser. Ich ziehe einfach mein altes nochmal an.“ Mit diesen Worten verschwand er wieder und Heide blickte ihm dankbar nach. ‚Hat der eigentlich immer eine Lösung parat?‘ fragte sie sich und fand diesen verrückten Tag, an dem sie zum ersten Mal in ihrem Leben blau machte plötzlich ziemlich spannend…
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