bittemito

Monat: Juli, 2015

Blaupause- Frau Liebling fragt (Farbstudie I)

Diesmal blieben die Boxen des Volvos stumm. Heide lenkte den Wagen zurück in Richtung Innenstadt, im Rückspiegel flackerte der neonblaue Schriftzug auf:

⇒⇒⇒  To    Diner  ⇐⇐⇐

Das Zeichen, daß Tom’s Diner nun seine Türen öffnete. Offiziell öffnete. Wie oft hatte sie Tom schon in den Ohren gelegen, das Werbeschild zu reparieren. Irgendwelche Idioten hatten den Schriftzug mit Steinen beworfen, doch Tom hatte in seiner unerschütterlichen Art verkündet: „Wurscht, ob da Tom’s Diner oder To Diner steht, Hauptsache die Leute bekommen etwas vernünftiges zu essen! Bastapasta! Und ganz in der Not gibts die Hintertüre.“ Und genau so war es auch, die Anschreibtafel von Tom hinter der Theke war immer vollgekritzelt. Genau wie die Tür zu seinem Hinterzimmer. Nur daß da Dankesworte standen statt Euroschulden.

Heute war ein neuer Blauaufweißgruß hinzugekommen: Danke, Du hast einige Hausmeisterdienste gut bei mir! Fred mit Lady. Heide hatte hinterhofig geschellt und sofort nach dem Türöffnen und einem Blick auf den Hund in Freds Armen hatte Tom die Führung übernommen. Jetzt lag die wunderschöne Blue Lady leicht sediert, aber kugelfrei im Hinterzimmer auf einer Pritsche, Freds Gesichtsfarbe gesundete sich langsam dank des gereichten Wacholderschnapses und Heide staunte einmal mehr über Tom. Oft genug war sie Zeuge geworden, wie dieser stämmige Mann mit den Pianistenfingern seine nie hinterfragenden Wohltaten vollbrachte, sei es am Herd oder wie eben in seinem heimlichen Behandlungszimmer. Vermochte sogar noch, sie mit Fred zurückzuschicken, um den Volvo abzustellen. „Ihr müßt aber wiederkommen, ich habe hier ein Chili am köcheln, das bringt euch endgültig ins Leben zurück. Außerdem wartet die blaue Lady. Und ausreichend Wacholder, um Dir Fred auszuspannen…“ zwinkerte er in Heides Richtung, sein freundschaftlicher Blick wanderte anerkennend an Heides spärlich bekleidetem Anblick hinab.

‚Scheißerle‘ lächelte Heide und steuerte den Wagen inzwischen in Richtung Parkhaus. In ihr Lächeln dräute sich die dunkelverbläute Stimme von Fred, der die ganze Zeit stumm aus dem Seitenfenster geblickt hatte. „Woher wußten Sie, daß ich mit Lady nicht zu einen zugelassenen Tierarzt  konnte?“ „Das wußte ich nicht, aber Tom war mein erster Gedanke. Er hat schon etlichen Tieren geholfen, ich war ein paarmal quasi seine Arzthelferin, wenn ich eigentlich nur was essen wollte. Warum hätte Ihnen denn ein richtiger Viehdoktor die Hilfe versagt?“

Als hätte sie mit dieser Frage ein lange verrostetes Ventil geöffnet, sprudelten anklagende und sogar zornigknirschende Worte aus Fred heraus. Worte über Abrichtungsmethoden und Selektion. Worte über das Scharfmachen von zu gutmütig erscheinenden Tieren und Worte über Gruben, in die Tiere einfach zum Verdursten hineingeworfen wurden. Worte über Hunde, die als Scharfmacher dienten und starben, nur weil ihre Farbgebung nicht dem Kundenwunsch entsprach und Worte über illegales Retten so mancher dieser armen Kreaturen. Worte, deren rostroter Blutanteil jedwede Blausehnsucht zu einem schmierigen Gemisch in seiner Stimme ertränkten. Heide war über alle diese erschütternden Worte Kurve um Kurve im Parkhaus gefahren und stand seit einiger Zeit in der Auffahrt der Blauen Ebene. Blickte stummlauschend auf die abendsonnenüberflutete Wand.

blauwand

Irgendwann schwieg auch Fred, als wäre seine Stimme endgültig abgesoffen in diesem leidgetränkten Erinnerungsmorast. Lange Zeit starrten beide auf die Lichtspielereien in den verschiedensten Blautönen, bis Heide noch eine  Frage stellte…

Warum Heides desaströser Anblick anerkennende Blicke auslöst und wie die Blue Lady in diese mißliche Lage kam, kann gerne nachgelesen werden unter dem Schlagwort

Farbstudiengeschichten

Geschichtsträchtigeschönprächtiggeschichte

Es war ein unmögliches Gedränge und Geschiebe. So mancher Nerv lag schon blank und wir  umgingen die Stände mit dem Nepp, verweilten geraume Zeit bei einem charmanten Kürschner und beobachteten die vorbeiziehenden Menschenströme an unserem Tee nippend. Famose Mannsbilder und hübschig gewandete Langhaardamen waren zum Glück mehr als genug in der Masse auszumachen. Die Sparrenburg in der Stadtwonichtgibt lud ein zum Ritterfest. Mein Begier lag hauptaugenmerklich bei den für den frühen Abend angekündigten Spielleuten. Und hauptherzklopfig bei einem. Bei dem, der mir vor Jahren kohleäugig die Füße sich in den weichen Waldboden eintanzen ließ. Tanzwut hieß passenderweise die damalige Kapelle. Aber das ist eine andere Geschichte…

Heute also die Könige der Spielleute und der Kohleäugige wieder dabei. Der Liebstlieblingsfamosgeselle zog seiner eigenen Wege, wohl wissend um meine Schmachterey bei inniger Treue und garantiert entfesselter Tanzlust. Doch diesmal war ich nicht ganz vorne mit zugange, hielt mich zurück, den ich äugte nebenbei nicht nur nach dem meinigen Kohleaugenkönig, sondern auch nach einer Silbersilbenfee. Keine Verabredung, ein vages Tragebrombeerigenlack und Habeeineasterimhaar sollte zum sich Finden genügen. Immer wieder riss mich die Musik hinfort und dann bekam ich auch mein Schwarzaugenblinzeln. Mein Juchzen darob schwingschwangschwungte sich bis in ein fabelhaftes Atelier. Doch auch das ist eine ganz  andere Geschichte…

Immer wieder drehte ich mich um mein eigenen Leib, meine Augen suchten nach denen, die einen Teil meines Wesens wiederspiegelten, doch nirgends sah ich sie. Die Könige der Spielleute füllten inzwischen williges Volk mit Met aus langen Schläuchen ab, da erblickte ich rechts von mir ein wildweichschönes Wesen. Das ist sie! Wie sie den sanft geschwungenen Hals zu dem blondbezopften wunderschönem Mädchen neben ihr bog, ihm lächelnd etwas zu erklären schien. Wie ein langer, weichglänzender Zopf über die nackte Schulter sich legte und das Tuch des zipfeligen Wildfeinkleides einen grazilstarken Körper umhüllte, das mußte sie sein. Ich schaute solange in ihre Richtung, bis sie den Blick zu mir erhob und erkannte mich in ihren Augenspiegeln. Lächelte, hob die Hand und beugte meinen Kopf, um sie die Aster in meinen mittlerweile zerzausten Haargewusel sehen zu lassen. Und damit fing sie an, eine ganz neue Geschichte…

Und die Silbersilbenversion dieses modernen Märchens finden Sie bei der Karfunkelfee, kwasi als andere Sichtgeschichte. Mit Bildern obendrein. Und dem entzückendsten Burgfräulein, das ich je sah…

Morgenerwachhachmonolog

‚…das beste am draussenschlafen ist das aufwachen… nein, das einschlafen… nee, am schönsten sind die schlafpausen, das gucken nach den sternen… die vögel am morgen, die sind lieblicher, als alles, was mich sonst jemals weckte… obwohl die nachthuschgeräusche mich aber immer lächelnd wieder einschlafen lassen… eigentlich ist das beste am draussenschlafen aber die schöne luft, das mondgeblinzel durch die wolken… die abenddämmerung, wenn der tag sich dunkeltuchig bedeckt, dann gleich ihm einzuschlafen, das ist am allerschönsten… der duft vom heuunterbett, wenn ich mich räkele so wie jetzt, vermischt mit dem schafduft vom kuschelfell… wie heimat, kindsein duftet dies… so friedvoll ist das stille denken an alle die ich liebe, das senden inniger kräfte, der herzschlag, der sich  bei manchem heiß beschleunigt dabei… das tollste ist aber die sanfte schaukeley, ein fingerstups genügt oder ein sachttasten mit den fußspitzen im feuchten gras, als hätte justamente ein schneck meinen kleinen zeh geküßt… was ja vielleicht geschah… am schönsten ist wohl das zurückschlagen des baldachin, wenn als erstes der ahorn mich zweigneigend begrüßt… und dann der blick linksrechts, ich schlief inmitten so blumiger schönheit… die meisenflugschule, das erste insektengebrumm, die duftigluft, die freien gedanken… … …‘

Bettaufbau

‚…das beste am draussenschlafen ist dieser ozean voller glücksmomente, der sich jetzt in meinem linken augenwinkel manifestiert und langsam eine glückskussspur über meine kühle wange zieht.‘

Hinterhofheavylautheadhandheygebange

Der Nacken bebt, die Füße scharren auf dem Pflaster und das Langhaar will sich entwurschteln um wild zu wehen. Eindeutige Symptome und was hülfe es, sich den Tatsachen zu entziehen: Ich bin entzügig. Eindeutig openairkrachmuggehopspogoentzügig. Dieses Jahr noch nicht die nötige Dosis eingenommen, die Lauschläppchen fordern ihren Krachanteil. Doch kein Rockfest in Sicht. Muß halt der Hinterhof herhalten für die Erstversorgung der Lautmuggeandockrezeptoren. Um die Famosnachbarn nicht zu verstören, natürlich in kleinen Häppchen. Wir beginnen sanft mit Einklatschundmitgröhlaperitif:

Na, das hat doch Spaß gemacht und die Tanzbeinschwinglaune geweckt! Der Lavendel hat sich groovig eingeschwungen und die Stockrosen scheinen den Stecken aus dem Allerwertesten gezogen zu haben. Wir bleiben schön geschmeidig lockerhüftig und bauen mal leckerschmeckig ein paar Gröhltöne mit ein:

Primaschön! Langsam quietscht das Geläuf schon nicht mehr so ungelenk. Der Nackenschwenktakt, der muß aber noch feinjustiert werden, speziell die Hängegeranien bitte noch lockerer; und es darf auch ein wenig geschmuddelt werden. Ja, auch die Edelrosen! Bierdusche jetzt bitte:

Warm genug und bereit für rhythmisches Gehüpfe und Kopfgeschwenke? Die Glockenblumen flippen gleich aus! Hey, die nächsttägige Muskelmieze wird bestimmt eine superanhänglich kuschelige! Der Rittersporn gibt hackenschlagig den Takt an. Und los:

Whoooohooo! Der ganze Hinterhof pogorempelt jetzt mit! Ey, ich habe die Fleißigen Lieschen im Moshpit gesehen! Und die Jungfer im Busche… meine Damen, ich muß doch bitten! Einmal durchathmen und das Biedermieder neu schnüren bitte. Und weiter gehts:

Jaaa, ein wenig Pathos muß ja auch mal sein. Die Schwarzäugige Susanne nickt zustimmend. Speziell für sie und um die Hinterhofbewohner nicht ganz zu verstören, lassen wir dieses kleine Fastfestivalfakefantastösfest gediegen ausklingen. Oder auch nicht:

Was’ne Party! Orbitösflipflopflatterösbonfortionös! Was? Neee, Photos habe ich keine gemacht von den pogorempeligen Chlorophylligen, war ja Teil des Ganzen. Aber hier ist noch ein Beweis, selbst die Zuschauer am Rande beifallten muggegabelig mit:

Heavyhinterhof

Und soeben hat mich WordPress pokalüberreichend aufmerksam gemacht: Diese gediegene kleine Tanzteefeier hat sogar einen Anlass! Dafür erlaube ich mir eine ganz spezielle Zugabe für Bittemito:

Danke für’s Bewohlworten, Anregen, Bepuscheln, Aufregen, Behachen, Kümmern und manchmal auch nur für das stille Mitlesen. Es ist mir ein großes Vergnügen, hier Silbenbasteley zu betreiben. Und dazu zu pogorempeln natürlich…

Blaupause- Frau Liebling fährt (Farbstudie I)

Mit den peitschenhiebigen Schüssen schienen kalte Winde unter die vorher so friedlichen Baumkronen gerauscht zu sein. Heide zog das verwaschene Leinenhemd fester um ihren nun fröstelnden Oberkörper. Sie wollte mit nach dem Tier rufen, brachte jedoch nur ein krächzendes Schluchzen hervor. Die Eichelhäher verstummten ebenfalls und Freds Stimme katanasierte förmlich die unwirkliche Stille des eben noch sinnlichen Ortes. Selbst der Bach schien sein Gemurmel eisig verstummen lassen zu wollen.

Freds Schultern sackten wie unter einer unsichtbaren Last mit jedem Ruf, der nicht durch das helle Bellen erlösend beantwortet wurde, weiter nach unten und in Heide quoll eine Traurigkeit auf, die alle ihre vorherigen Gefühle wie eine Masse aus Geröll, Schlamm und Dreck umhüllte. Stumm wollte sie zu dem zu einem anklagenden Fragezeichen verbogenen Mann gehen, als sich das Dickicht neben dem Bachlauf raschelnd teilte. Die Hündin humpelte vorsichtig aus dem Unterholz, zwischen ihren nun nach unten gebogenen Lefzen schimmerte ein blauschwarz gebandeter Fittich hervor. Heide blinzelte ihre Tränen weg und erkannte den toten Vogel in der Schnauze von Lady. „Ein Eichelhäher! Blau und Blau! Fred, sieh doch, deine Lady, sie ist hier! Ein Eichelhäher!“ Sie hatte ihre kruden Gedanken wohl laut herausgeschrieen, denn Fred drehte sich augenblicklich zu ihr um und war mit ein paar Schritten bei ihr und dem inzwischen zu ihren Füßen zusammengebrochenem Tier.

„Meine Lady, meine Schöne, meine Bluebluelady…“ mehr gemurmelt denn gesprochen klangen seine Worte dennoch wie einzigartiges Liebeslied. Er war neben der Hündin auf den Waldboden gesunken und hielt ihren Brustkorb sorgsam umfangen. Erst jetzt erblickte Heide den dünnstromigen Rotfluß der sich die linke blauschimmernde Schulter hinabzog. Und auch der tote Vogel, der jetzt wie sorgsam abgelegt auf dem Moos ruhte, wies in seiner Brust einen ähnlichen Rotstreifen auf. Heides Gedanken überschlugen sich förmlich und ihr Mund absorbierte aus diesem Wirrwarr zunächst nur ein einziges Wort:  „Tom“.

Der hilflos irritierte Blick von Fred ließ sie einfach die Initiative ergreifen. Rasch sammelte sie die Picknickutensilien zusammen, hieß Fred an, die Hündin aufzunehmen und lief vorneweg den Moostrampelfad folgend, der sie hierher geführt hatte. Bald hatten sie den himmelblauen Volvo erreicht und Heide wies nur kurz kopfnickend auf die Fahrerseite. Fred antwortete mit einem Neigen seines Kopfes auf seine linke Seite. Sie ging vor Mann und Hund in die Kniee und fischte kurzentschlossen den Autoschlüssel aus der Jeanshosentasche. Öffnete dann die Beifahrertür und von innen die Rücksitztüre. Fred legte den japsend athmenden Hund vorsichtig hinein und rutschte sogleich hinterher, um den Kopf seiner Gefährtin auf seine Beine zu betten. Heide hatte inzwischen die Fahrerseite geentert und stellte sich flugs Sitz und Spiegel ein. „Tom. Wir fahren jetzt zu Tom. Er hat zwar sein Veterinärstudium abgebrochen, aber er kann uns helfen. Einverstanden?“ Ihr Blick suchte Freds im Rückspiegel und dessen Pupillen erwärmten sich hoffnungsvoll blautarierend.

Sie startete den Motor und lenkte den ungewohnten Wagen vorsichtig zurück gen der Silhouette der Stadt. Und mit dem Einschalten der Musikanlage erklangen wieder Töne, die sie so noch nie vernommen hatte…

Frau Lieblings ganze Bluebirdgeschichte findet sich unter dem Schlagwort

Farbstudiengeschichten

Danke an den immer beguckens- und hörenswerten Herrn Haase für die Bebilderungserlaubnis des Eichelhähers und die damit einhergehende Inspiration dieser Wendung der Geschichte. Muserichküsse sind bonfortionös!