Geöffnet für Hunderte, doch offen dann nur für eine…
von Käthe Knobloch
Es rappelvollt sich im Floratelier und in den restlichen Räumlichkeiten. Lächeln, Lachen und Komplimente verheddern sich zu einer berauschenden Wolke, die zu den Klangpirouetten des Saxophonisten im bonfortionösen Hinterhofe gen Himmel tanzen will, nur um mit den applaudierenden Tropfen regentuchig wieder auf uns herunter zu kaskadieren. Ich lächle immer wieder über die Schirmkapitulationen, denen schulterzuckende Ergebenheit folgen und freue mich weiter über jeden neu durch den schlitternassen Gang hereindräuendem Neugierstrupp. Sie jedoch habe ich nicht kommen sehen.
Hände werden mir entgegengestreckt, Fragen erfordern konzentrierte Aufmerksamkeit, das hier, das bin ich und mein Tagwerk und es will beworben werden. Ich eile treppauf, treppab, stelle vor, erkläre, hole neue Gläser und zwinkere meinen Lieben zu, die mich in diesem Tun begleiten. Bade in Bewunderung und Zugeneigtheit, wie könnte ich dieses Wonnegefühl in Worte fassen? Photoapparaturen blitzen auf, mancher möchte doch noch ein Sträußchen mit nach Hause nehmen, also wieder hinein ins Floratelier und flugs die blumigen Zutaten zusammengesucht. Und da entdecke ich sie.
Sie sitzt still in dem Bequemsessel, schaut auf ihre Hände, die aneinander Halt zu suchen scheinen. Adrett wie immer und doch wirkt sie anders als sonst. Ich binde mein Bouquet fertig und verabschiede dankend die Besucher, die voll des Lobes sind, zu voll, um ein Ende zu finden. Ich murmele was von Notdurft und stillem Örtchen und eile doch nur, zwei Proseccogläschen zu füllen. Dränge mich durch die schwatzenden Menschen und hocke mich auf den Hocker vor dem Sessel. Achbitte, darf ich hier ein Weilchen sitzen bleiben, ich schaffe es sonst nicht bis nach Hause, flüstert sie, während ihre hellblauen Augen von Tränen geflutet werden. Das erste Glas trinkt sie in einem Zug.
Solange Sie möchten, antworte ich und erkenne langsam pupillenwandernd die Andersheit dieser sonst so stolzen, aufrechten Dame. Ihr Weißhaar ist wie stets perfekt frisiert, nur an den Schläfen haben sich einzelne Strähnen gelöst, als hätten haltsuchende Hände an ihr gerührt. Der oberste Knopf an der immer picobello sitzenden Steifbluse steht offen und auf dem hellgrauen Rock sind verriebene Flecken zu sehen. Mein Blick kehrt zu ihrem schönen Gesicht zurück und nun sehe ich auch die dickgeweinten Augenlider. Fast quälend mühsam senkt sie ihren längst entschwarzten Wimpernvorhang. So hören Sie doch, so eine schöne Musik. Die hat mich hereingerufen.
Mich rufen meine Pflichten, ich nicke ihr nochmals schlicht zu und muß dann doch weitereilen. Doch immer wieder lenken mich meine Schritte in das Floratelier hinein, ja, da sitzt sie. Still in sich versunken, der nächste Anblick ein angeregt unterhaltsamer, dann sogar ein kicherndes Junggesicht, das durch den Fältchenvorhang blitzt. Langsam neigt sich der Sonntag seiner Abendruhe entgegen und mit ihm verebbt der Besucherstrom. Mit zwei neuen Gläschen lasse ich mich erneut bei ihr nieder und habe nur eine Replik auf ihre Glückwünsche. Aber Sie, Sie sehen so traurig aus.
Da bricht es aus ihr heraus: Er erkennt mich bald nicht mehr. Seit Wochen nervt er mich, weil er nicht im Heim bleiben will. Hol mich nach Hause, immer hat er das gefleht. Aber das kann ich doch nicht, ihn pflegen, ich habe doch selber keine Kraft. Und heute, heute hat er mich gefragt, wer ich bin. Wer ich bin! Wissen sie, wie schwer das ist? Ich habe ihn geschüttelt und geküßt und dann fragt der, warum ich denn weine! Ich habe keine Kraft mehr und ich schäme mich so dafür und dann bin ich gegangen. Und dann war hier diese Musik. Der bin ich einfach gefolgt und nun haben Sie mich an der Backe.
Ich reiche ihr stumm ein Taschentuch. Eine Weile sitzen wir still beieinander, ich heule inneräugig mit ihr, doch mein Momentanglück läßt keine bittermandeligen Tränen zu. Sie schluchzt noch einmal und wischt sich dann über das müde Gesicht. Gladiolen, ich sitze hier unter Ihren Gladiolen, er hat mir immer welche geschenkt. Ach, ich muß jetzt gehen, Sie haben doch zu tun. Mir bleibt nur, ihr durch den immernoch rutschnassen Gang zu helfen. Dann schaue ich ihr ein Weilchen nach, wie sie die Straße hochgeht, die einzelne heimlich zugesteckte Gladiolenrispe winkt mir aus ihrer Tasche zustimmend zu.
Wie in einem Wasserfarbkasten herumgewandert…
Selbst ein Eröffnungsfest lädt verloren treibende Seelen ein zum Farbigsein – und wenn es nur Augenblicke sind.
Vielleicht ist dieses das einzige Kleindochriesiggroßgeschenk, was wir einander bringen können: Augenblicke teilen…
Danke für Ihren hierwortigen, meine liebe Wildgans, herzlichst, die Ihre.
Frau Knobloch – danke für diese Wunderbarmomente.
Gern geschehen, für mich war es ja auch ein Vertrauensvollteilgeschenk. Die Dame war doch stets recht spröde… warum, das weiß ich nun.
Wichtige Momente.
Das ist eine berührende Geschichte und ich hoffe, sie hat für die Frau eine Fortsetzung. Ein paar blumige Momente kann sie derzeit wohl brauchen.
Gestern sagte mir eine andere Dame, daß der Hinterhof besondere Kräfte in sich birgt. Kann man als Kwatsch abtun, oder aber einfach dankbar nicken. Heilsam ist er auf jeden Fall…
Die Fortsetzung für die traurige Dame ~~~~~ mir bleibt nur, ihr wieder einen Platz anzubieten.
Herzliche Grüße an Sie und danke für Ihre Feinbewortung, Ihre Frau Knobloch.
Die Dame wird schon spüren, dass sie an einem Kraftort war, und wenn sie es braucht, kommt sie vielleicht wieder. Es ist ja immer gut zu wissen, wo man hinkann. :-)
Herzlichs Grüßle, auch vom Ahörnle!
Genau! Für einen Moment zu wissen, wo man hinkann, wenn alle Wege zu steil erscheinen. Im Grunde wünschen wir uns das doch alle.
Gruß vom Bonfortionösahorn, er schaut kwasi mit in den Rechenknecht, die Ihre.
Ich hoffe, auch dem Zwapfelbaum geht es gut, trotz heißem Wetter mit der Gefahr von Schrumpelzwäpfeln. Unsere Bäume haben immerhin ihren Platz gefunden. Baum müsste man sein. ;-)
Vom Zwapfel erfuhr ich gestern erquickliches, der alte Garten scheint ihm rechtens zu sein. Und mein neuer Pflegegefährte, der Zwozwapfel, der royale, der reckt sich unterahornig auch ganz hoheitlich…
Heute suchte ein Trauerweidchen hinterhofiges Asül, wegen Räupchenbefall sollte es geschreddert werden. Mannmannmann! Manche Horizonte sind wirklich arg begrenzt!
Herzliche Grüße, die Ihre.
Ich bewundere diese Frau, die den Mut hat, sich nach dem Schock, von ihrem Mann nicht mehr erkannt zu werden, nicht verkriecht, sondern sich von Musik auf einen Hinterhof ziehen lässt und so lange bleibt, bis ihr zugehört wird. Das ist einfach schön. Und schön auch, dass da jemand war, der zuhören konnte.
Sie erzählte auch, daß ihr allein in dem großen Haus graust, sie aber einen Umzug noch nicht in Erwägung ziehen kann. Ein ganzes Leben stecke darin…
Doch die traurige Schönheit der Begebenheit, dieser Kontrast von glücklicher Zufreidenheit und tiefem Kummer, der hinterließ auch bei mir deutliche Spuren innenhäutig.
Ihnen einen angenehmen Sommertag, lieber Michael, ich gehe gleich Gras sensen, das ist wie Meditation für mich.
Herzlichst, die Ihre.
Gemeindesitzung war und Punktevergabe nach Themen, die wichtig sind. Ergebnis:Tourismus viel, Altersheim null. Von Alten oder gar Demenz will niemand etwas wissen. Oder zumindest nur die Wenigsten. Die Berufenen oder Betroffenen.
Danke für Ihr So-Sein!
Ein Thema, so wichtig und so unterschätzt. Am besten, wir arbeiten alle bis zum Umfallen oder lassen uns zu Tode pharmazipieren.
Sie sind ja selber So-Eine, wie mich deucht! Und zwar ausdrücklich imperativisch!
Herzlichst, die Ihre.
Zauberschön verfasster Post, liebe Käthe, meine explizite Anerkennung, sehr menschlich geschrieben auf deine stets sehr persönliche Art und Weise…
Sehr realistische Kommi-Einschätzung unserer „großartig humanen“ Gesellschaft, liebe Marga, ich stimme voll zu!
Kennt ihr den Sci-Fi-Film The Long Run (schon länger her); dort werden die Menschen mit exakt 30 Jahren alle zu Tode sublimiert;
ich bin mal gespannt, wann einer der Jungspund-Po-litiker diesen Vorschlag aktuell einbringen wird, wenn es mal wieder um das Thema „nicht mehr zu stemmende Alterspyramide“ geht…
und das im Zeitalter der megareichen Banker, die am Ende des Jahres Bonus-Zahlungen von 900.000 Euro einsacken!
Herzlichste Grüße an euch beide
vom Lufreund
Danke für Deine Wohlworte, mein lieber Lu. Und auch für die bitteren zu diesem Thema. Ich bin froh, daß ich mit einer Stiftung zusammenarbeite, die sich genau da einbringt, wo die Politik versagt.
Herzliche Grüße auch an Dich, Deine Käthe.
Wir ahnen oder wissen es und erst las ich darüber, wie wohl uns das Helfen tun würde. So sehr, dass die Frage gestellt werden dürfte, wer schlussendlich wem beholfen hat!
Zum anderen: Im Moment erlebe ich mich auch ganz viel, wo ich nicht so imperativisch bin, wie ich gerne wäre oder meinte zu sein…
Wie wunderbar, dass Sie voll des Momentanglücks und dabei auch des Mitgefühls fähig und willens sind…
Danke für diese schönen Lobworte, sie sind mir ein hohes Kompliment. Es ist doch am einfachsten, jemandem ein klein wenig Last abzunehmen, wenn man selbst leichtherzigfroh ist.
Cantusburanuslauschende Grüße, die Ihre.
Für ein edles Herz wie Sie … Sobald die CD wieder aus meinen Kartons auftaucht, werde ich selbiger auch gerne mal wieder lauschen ;) Rest-Baustelle putzend fröhlich grüßend die Ihre
Inzwischen gestaltet sich die Sparrenburg für mich schier zum Pflichttermin, meine Liebe. Bin dieses Jahr eh stark unteropenairt wegen des Umzuges und was wäre da naheliegender…
Von Sense zu Wichtigtukladde wechselnde Grüße, die Ihre, außenauftragsentschwebend.
Hmmm, naja,ich liebäugele mit Corvus Corax an Silvester in Dortmund…aber wenn das Wetter gut wäre und es mich packt, würde ich mich vielleicht doch auf mein Mofa schwingen – zur Burg ins Abenteuer ;) Ich lasse das mal auf mich wirken, sind ja noch 9 TAge bis dahin…
Bei einem Fabelwesen wundere ich mich so langsam über gar nix mehr. Mit’m Mofa übers Land…
Ich könnte Bahnhofs-Burg-Transfer anbieten, meine Liebe. Lassen Sie auch das ein wenig sacken.
Liebäugelnde Grüße zurück, die Ihre.
Sie beschreiben mal wieder in gefühlvollen und eindrucksamen Worten dies einzigartige Reise durch schöne Momente, spannende Sekunden, leises Miteinander und traurige Augenblicke, die das Leben mit all seinen Facetten uns entdecken lässt.
Danke für diese warmen Wunderworte, die so trefflich die Nähe von Kummer und Freude beschreiben, meine liebe Ella.
Ihnen weiterhin einen famosen Sommer mit den nötigen Ruhemomenten, herzlichst, Ihre Käthe.
(D)Ein offenes Herz schließt die Tür auch für solche Menschen auf. Gut.
Danke, meine Liebe. Tür und Herz bleiben weiterhin offen, versprochen.
Grüße ins Elfenheim, Deine Käthe.
Es sind genau diese Orte, die wir schaffen müssen. Den Rastplatz für Momente des Ausruhens und des stillen Atems.
Plätze, an denen niemand bedroht wird; an denen Mitgefühl und Barmherzigkeit fliessen.
Und seis nur ein Stuhl oder ein Teller voll Wasser, zur Erholung und Labung eines geplagten Mitmenschen.
Diesen Ihren Worten ist nichts hinzuzufügen außer einem bonfortionösem: STIMMT!
Begleitet von einem herzlichen Gruß selbstverständlich, in Zuneigung gesendet, die Ihre.
und da ist sie wieder, die heimliche Angst … auch so zu enden… egal auf welcher Seite ….ob der im Heim… oder der,der draußen bleibt…beides scheiße…sie zerschießen uns die köpfe…zuviel…zu gleichzeitig…zu unwichtigentscheidendangeblicherleichterndkompliziertgewöhnungsbedürftig…honigimkopf
Wir haben mit Freunden verschiedenster Altersklassen den gemeinsamen Traum von einer Alters-WG. Mit Kind und Kegel und eigenen Appartments und gemeinsamen Nutzräumen. Vieles beginnt ja im Träumen..
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Und bitte, lassen Sie sich nicht honigkopfend ängstigen, Zorn wäre angebrachter bei diesem allerortigem zuviel. Herr Ärmel hat es kommentatorisch auf den Punkt gebracht: Stille, Mitgefühl und Barmherzigkeit, die können wir dem Wahn entgegenstellen.
Ich grüße Sie freundlich zugeneigt, Ihre Frau Knobloch.
Alles Liebe und Scheißherz mal wieder ! Für sie.Und die traurige Dame. Meine Großeltern (!) sind sehr alt und krank,und es zerreißt einem ebendieses Scheißherz, nicht wahr? Liebe Käthe! Es grüßt Sie herzlich Mensch Päddra
Diese Geschichte wird weitergehen, liebe Mensch Päddra. Heute ist mir justamente die Fortsetzung passiert, ich muß nur noch Zeit finden, sie aufzuschreiben. Und natürlich die Erlaubnis mir holen, sie auch zu veröffentlichen.
Heute hat die traurige Dame hier von ganzem Herzen gelacht. Was ist das Leben doch für ein sinnenreiches…
Ich grüße Sie ganz herzlich und sende Ihnen Kraftgrüße für Ihr großes, gar nicht schissiges Herz, Ihre Frau Knobloch, tröstend.
Danke schön! Ja, das Leben will gefeiert werden, und alles gehört dazu. *seufz*
Stellen Sie sich vor : In Holland sah ich jüngst ein Fahrad mit Blumenkranz um Korb und Lenker gebunden, nun raten Sie mal, an wen ich denken musste?….Ein bissi hab ich Ausschau gehalten nach Ihnen, natürlich war das Unsinn. Und Sinn! So reisten Sie mental ein Stück mit mir,… – haben Sie die stürmische Nordsee,den warmen Sand unter den Füßen und die ausgelassene Ferienstimmung gespürt ? Ich mochte das, Sie in Gedanken ein Stück mit mir herumzutragen, es hat mich vergnügt gestimmt. Yeah!
Allerbeste Grüße, Mensch Päddra
Was gibt es Schöneres, als fernfreundlich andere Menschen bei ihrem Tun zu begleiten?! Mich freut diese Vorstellung ungemein, liebe Mensch Päddra. Danke dafür, das ist bonfortionöser Unsinn, da er Sinnen in sich trägt.
Liebe Grüße von hie nach da, die Ihre, wortbekuschelt.
Sie sind wunderbar und herzensschön, Frau Knobloch. Wie Sie immer wieder so feinsinnig (im wörtlichen Sinne) hinter die Fassaden von Augenblicken, Situationen, Menschen blicken … Die Blume ist eine sehr schöne Geste. Nebenbei, es freut mich zu hören, dass Ihr Eröffnungsfest ein Erfolg war. Viele Neugiertrupps und immer wieder Momentanglück wünsche ich Ihnen. Ihr Zeilentiger
Herr Zeilentiger, Sie verhuschen mir die Wangen mit Ihren Wohlworten! Ich danke Ihnen so sehr… Hach!
Herzzugeneigte Grüße, die Ihre, schnappathmend.