Marktplatz 7, Perle des Kochertals
Die Hohenloher Ebene hatte uns zuletzt friedvoll müde gemacht. Langenburg war ausgebucht an bezahlbaren Zimmern, man empfahl uns, die Jagst talig zu queren, noch einmal die Ebene zu passieren und dann ins Kochertal hinab zu fahren. Da gebe es weitere kleine Gasthöfe mit Fremdenzimmern. Und so steuerten wir den himmelblauen Trabant meiner Freundin den empfohlenen Straßen nach. Es war 1990 und wir befanden uns auf der Zielgraden einer langen Abenteuerreise, aber das wußten wir zu dem Zeitpunkt noch nicht.
Wochenlang reisten wir durch die für uns neuen Bundesländer im Süden. Arbeitssuchend und neugierfrönend gleichermaßen. Blieben ein paar Tage, wo es uns gefiel und nahmen jedwede Arbeit an. Gönnten uns Übernachtungen oder schliefen kaputt im Trabbi ein. Ließen uns aushalten oder halfen für umme einer Gastgeberin im Haushalt. Erhielten Bleibeangebote und verliebten uns sogar. Doch immer wollten wir noch ein Stückchen weiter. Die ganze Geschichte kann ich nicht alleine erzählen, ich warte, bis ich meine Freundin eines Tages wiedersehe.
An diesem Abend fuhren wir also schlußendlich die serpentinige Straße gen Kochertal hinunter. Erste Häuser klebten am Hange und leuchteten warm in der spätsommerigen Dämmerung. Immer dichter zeigte sich die Besiedlung und im Ortskern präsentierten sich hübsche Fachwerkhäuschen und lebendiges Sein. Der „Löwen“ war gut besucht und wir hungrig wie ebensolche. Erstmal was essen und dann um Übernachtung kümmern, so die Devise. Zur Not tat es in den lauen Nächten noch einmal das Pappautomobil. Doch wir bekamen zunächst die ersten Käsespätzle unseres Lebens, woraus eine Ewigliebe wurde und dann ein preiswertes Zimmer. Wir beschlossen ein Weilchen zu bleiben.
Aus dem Weilchen wurden für mich 4 fantastische Jahre und das Dörfchen zu meiner ersten westdeutschen Heimat. Viele wichtige Entscheidungen traf ich dort und begegnete einigen Menschen, die mithalfen, die Weichen meines weiteren Weges festzustellen. Marktplatz 7, das Dachkämmerchen für uns zwei, der Schlusspunkt unserer gemeinsamen Reise. Alleine zogen wir dann weiter, ich zunächst nur talwärts ein Stückchen und wohin es Dich getrieben hat, das weiß ich nicht. Ich denke oft an Dich und ganz besonders heute.
Fassungslos schaue ich die Bilder und verwackelten Filmchen, die bezeugen, was meine Ohren sich weigerten aufzunehmen. Die Perle des Kochertals, eine meiner Heimaten ist teilweise unter Schutt begraben. Ich sehe die Häuser, erkenne sie wieder und das eine Foto vom Dachkammerzuhause läßt endgültig Tränen fließen. Selbst bei jedem unterm Geröll und Schlamm erkennbaren Autokennzeichen, quält sich ein Schluchzen die Brust hinauf. Wie ein Wunder erscheint es mir, keine Opfer in den tosenden Dreckmassen, keine Verletzte, so das Haller Tagblatt. Mein Denken und Bitten fliegt gen Braunsbach und mit ihnen meine hoffende Kraft.