Wenn Geschichten noch nicht zu Ende erzählt sind…
von Käthe Knobloch
Dann stehst du plötzlich in einem dir gänzlich fremden Leben…
Und dann stehst du plötzlich wie erstarrt in einem der vielen zumindest für dich anonymen Kranken- oder Altersheimzimmer. Blumenauslieferungsroutine. Eigentlich. Nicht an diesem Samstag, der ohnehin schon fordernd war. Diese Auslieferung ist die letzte für heute, deinen Feierabend hast du dir redlich verdient. Dennoch tropfen sich Bilder in deine Pupillen. Bilder, aufgehängt an feinziselierten Messinghäkchen. Ein Porträt, du hast ein ähnliches schonmal gesehen. Das ganze Zimmer hat eine unüblich stilvolle Ausstrahlung und das Bett wirkt wie eben frisch bezogen und auf ein müdes Menschenkind wartend. Wenn nicht bereits eines darin läge. Kaum wölbt sich das Oberbett und auf dem reinweissen Kopfkissen liegt halblanges Schlohhaar wie hindrapiert. Dann vernimmst du auch das Flüstern. Ein kurzes Innehalten durchflutet dich, schwarze Haare, schwarzes Langkleid, willst du wirklich so in Erscheinung treten, da kniest du schon neben dem tief abgesenktem Pflegebett. Auf der schmalen Fensterseite, das Menschenkind liegt seitlich und schaut dich trübpupillig an. Du ahnst mehr die Fragen, als dass du sie vernimmst und erklärst dich und deine hiesige Aufgabe. Verstehend oder vielleicht nur müde senkt sich ein wimpernloser Vorhang über die blassgrünen Augen. Dann verändert sich der Athem. Schläft sie oder will sie gehen? Du weißt es nicht und mahnst dich dringlich deines eben Gesagtem. Blumen ins Wasser. Suchst leise flüsterfüßig nach einer Vase, dieses Appartment ist gut ausgestattet; du findest eine extra hohe. Sie müßte so nur die Augen öffnen und könnte selbst aus ihrer Position heraus die prunkvollen Gartenblumen sehen. Kniest dich wieder an ihre Seite und ein gilbes Müdlächeln ist ein erster Lohn. Die Augen indess blassen in ferne Welten. Geflüsterte Fragmente ergeben keinen Sinn, nicht für dich, aber wohl für die in ihrer Zerbrechlichkeit wunderschönen Greisin. Eine wächserne Hand schiebt sich aus dem umhüllenden Stoffe und sucht nach Halt. Der schwere Silberring am vorletzten Fingerchen ist wie ein Statement, wie ein Aufbegehren und das letzte Puzzleteilchen, das sich in deine Sinne senkt: Du warst in ihrem Haus, hast eines ihrer Tanzkleider bekommen, der Fedora ihres Mannes behütet dich schon längerzeitig und an der Stehlampe deines Schreibpultes wacht dieser kleine metallne Schmetterling.
Wenn Geschichten noch nicht zu Ende erzählt sind… dann mußt du noch ein Weilchen bleiben. Und zuhören, auch wenn du zunächst glaubst es nicht zu verstehen…
Ach liebes Käthchen….. Wenn es doch nur mehr von deinem Wesen gäbe….
Liebste Meertauige,
das sind solch hohe Worte, ich mag sie schier nicht an mich nehmen.
Es ist das kostbare Gut, was wir oft nur ganz allein für uns behalten wollen und was uns hartherzig erscheinen läßt, wenn wir es nicht zu teilen vermögen: Unsere Zeit. Mir wird das immer bewußter und darum versuche ich, davon abzugeben. Und bekomme so viel zurück geschenkt.
Von Herzen, die Ihre.
Solche Besuche fordern und vertiefen jeden Lebenssinn.
Vollkommene Übereinstimmung, lieber Herr Müller. In beiden Aspekten.
Herzliche Grüße, Ihre Frau Knobloch.
be-rührend, liebe frau knobloch.
Danke, liebe Wolkenbeobachterin.
Ich hoffe, Ihnen geht es wohl und schaue gleich mal um die Ecke nach Nebenan.
Liebe Grüße, die Ihre, ebenso angerührt.
Da-Sein reicht manchmal völlig. Nichts tun. Mit dem Herzen hören.
Ich mag Ihre Worte sehr.
Danke, liebe Christiane. Es war keine Absicht in mir, doch das Dasein wollte es wohl anders. Und jetzt trage ich eine Berührung in mir wie einen kleinen Reichtum.
Liebe Grüße, Ihre Käthe.
„flüsterfüßig“ gefällt mir sehr gut, da sehe ich Bilder …..
Flüsterfüßig können ganze Symphonien entstehen, liebe Myriade. Hier waren es sorgfältig gereinigter Teppichboden und blanke Kacheln, die meine Fastbarfußschuhchen besummten…
Herzliche Grüße, Ihre Käthe.
💖✨
Danke, liebste Nana.
Ich habe hier einen Kommentar zwischengelagert, den Ihr Veröffentlichszerberus gestern nicht zulassen wollte, ich probiers gleich nochmal.
Grußkuß aus dem reinigenden Gewitterregen, die Ihre.
So schön und warm und echt geschrieben, auch mit all der Traurigkeit. Die Tanzkleider in ihrem Haus, ich erinnere mich, die kamen uns hier schon mal entgegen, liebe Käthe. Wertvoll, dass sie zuhören und da sind, wo sie sind.
Mich umflort in allen Gefühlen auch ein Hauch von Scham, liebe Maribey. Hätte ich doch nach ihr fragen können, nachdem das Abrißhaus mich so tief traf. Aber vermutlich braucht auch hier alles seine Zeit, um die Geschehnisse mit Sinn zu füllen.
Danke für Ihre Liebworte, sie betuchen mich.
Herzlichst, die Ihre.
Ich glaube, einiges braucht seine Zeit und reift und wächst und dann folgt der nächste Schritt. Mir scheint, all die Schritte stehen in Verbindung zueinander. Zwischen dem ersten und dem dritten, liegt eben der zweite. Herzliches zu Ihnen.
„Zwischen dem ersten und dem dritten, liegt eben der zweite.“
Liebe Maribey, diese kleine feine Weisheit über die Abfolge der Lebensschritte klöppel ich mir in meine manchmalige Ungeduldsschamigkeit ein. Ich danke Ihnen herzlich dafür und verbleibe abersowasvonzugetan.
Das geht unter die Haut, selbst beim Lesen. Ich freue mich für all die Menschen, die von dir blumig beliefert werden, dass sie nicht nur mit floralen Kunstwerken, sondern auch mit einer echten Begegnung beschenkt werden.
Dankesehr, meine Liebe.
Ich habe schon vieles erlebt bei der Außenverblumigung, bis hin zu eindeutigen nackten Angeboten.
Die Begegnung mit der alten Dame war etwas ganz besonders, was mir subkutan eintätowiert bleibt.
Liebe Grüße Dir und die ausgelobten Verwegenen Verse sind auch im Entstehen, mir fehlt nur ein treffliches Ende.
Der Anfang und das Ende einer Geschichte liegen oft viel weiter auseinander als wir das erkennen können in unserer schnelllebigen Welt. Das ist schade.
Nicht schade, sondern ganz im Gegenteil, grossartig ist, dass Sie dieser Geschichte nun weiterzählend eine Fortsetzung hinzugefügt haben. Herzlichen Dank dafür und ebensolche Grüsse sendet Ihnen aus dem nachmitternächtlichen Bembelland,
Ihr Herr Ärmel (Sie wissen es auch ohne die ständige Wiederholung)
Die schnelllebige Welt. Einfach mal anhalten, innehalten und tief Luft holen. Man weiß ja, wie wichtig das ist und wird dennoch von der Intensität der Gefühle überwältigt, wenn man sich aus der Hektik fallen läßt. Denn dann werden langsam die Knoten in den Lebenslinien festgezurrt, die unseren Lebensfaden so einzigartig machen…
Gleich wieder floralausliefernd grüßt die Ihre, sich erst noch Zeit für diesen gern geschriebenen Kommentar nehmend und natürlich wissend zugetan.
Mit Ihren Berührtwerden be-rühren Sie mich.
Die Silbersilbenfädchen schwingen behutsam, gleich Feinstwebchen im späten Sommer…
Liebe Käthe,
Wenn Lebenskreise sich schließen und Du staunend feststellst, dass Du einen Steinsprung weiter einen anderen Lebenskreis kurzfristig berührst, teilst, bei seinem Schließen zugegen bist. Eine Beobachterin, der das Leben sagen will: Dies bleibt vom Reichtum aller Dinge, ihrer Pracht – dieser zerbrechliche gläserne Mensch im Abglanz seiner einstigen Farben. Verblasst wie die lila Tinte auf einem Liebesbrief, doch immer noch ahnbar, erfühlbar in all der Poesie, die das Menschenleben einmal erfüllte.
Man könnte sagen, es bliebe wenig zurück von so viel Leben.
Doch man könnte auch sagen, dass diese Frau die Essenz dessen ist, was sie alles war und das dies immer noch so viel ist, dass es dich zutiefst berührt. Weil Du ahnst, dass auch diese Essenz sich bald verflüchtigen wird und nur Deine Erinnerung und Deine Kenntnis es vermögen, ein bleibendes Zeugnis zu schaffen. Das hast Du mit diesem schönen Text getan und Dein Herz hat genau verstanden, warum Du dieser Lady noch einmal begegnen solltest.
Berührt und bewegt,
Deine Karfunkelige✨
Ihr Lieben, ich weiß gar nicht, was mich mehr berührt, die wahrhaftige Geschichte oder so ein weiser und gütiger Kommentar! Für beide danke ich sehr. Liebe ist nicht nur ein Wort, nicht wahr? Sehr berührt grüße ich Euch, Eure Graugans
…nein, liebe Frau Graugans, manche Liebe braucht Worte und eine andere nicht, sie zeigt sich vielleicht eher in Taten. Durch beides jedoch, Worte wie Taten, will sie sich weitergeben und teilen. Darum ist Liebe mehr als ein Wort, nur darum finden sich Worte für Taten in ihrem Namen. Worte der Liebe sind Impulsgeber…meine ich…
Danke für Ihre Worte, ich hab mich sehr darüber gefreut.
Viele liebe Grüße von der Karfunkelfee
Ihr beiden fabulösen Spürschreiberinnen, ihr habt euch bereits alles zugeraunt, was ich zu ergänzen hätte.
Nein, Liebe ist nicht nur ein Wort. Man kann sie zwar so benennen, aber sie wohnt auch in Achtsamkeit, Zuneigung und ehrlichen Berührungen, Blickromanen oder Gleichathemzügen.
Ich danke euch beiden für diesen anrührenden Austausch und grüße von Herzen zugetan.
So wie Sie es erzählen, verehrte Frau Knobloch, wird alles spür- und sichtbar und hängt sich an ganz eigene Geschichten.
Ich danke Ihnen sehr für diese Zeilen
herzlichst
Ulli
Einfließende Anhängerey an eigene Geschichten ist hohes Lob, liebe Ulli.
Und ich danke Ihnen sehr für Ihre Wohlworte und verbleibe herzlich zugetan als die Ihre.
Ich schließe mich dem bereits geschriebenen Kommentaren an…
ich hatte sofort ein inneres Bild vor Augen, vielleicht gelingt es mir, dies umzusetzen…danke für das lebendige Erzählen, das Hauchen, Flüstern, Bewegen und quasi Beatmen…
Auf Ihre ganz spezielle Art der Umsetzung freue ich mich urst, mein liebes Fabelwesen.
Danke auch für die Wohltuworte und herzliche Grüße gen Weißstädtchen, stets die Ihre.
Viel zu selten wissen wir, wann Geschichten tatsächlich zuende sind. Man sagt nicht umsonst, dass man sich immer zweimal im Leben begegnet. Und ich denke, das ist auch nur eine Zahl, die gern nach oben aufgestockt werden darf.
Berührend und schön für die in den Laken Liegende und ebenso für die fastbarfüßige Seelenstreichlerin. Kostbar sind solche Momente und haben etwas bei sich, das vielleicht komponiert oder in Farben, den fragilen Hauch von dieser Emotion beschreiben könnte. Es liegt zwischen den Zeilen, ich lese es genau und doch ist es bei Ihnen, beste Frau Knobloch!
Mit liebem Dank fürs Teilen dieser Begebenheit, die etwas wieder glauben lässt an etwas…,
Ihre Silbia
Und wie immer staune ich, wie Sie zwischen den Zeilen schwebendes in passende Worte umsetzen, liebe Silbia. Den fragilen Hauch einer Emotion… ganz besonders sanft ist diese stille Freude darob. Dafür meinen Dank und liebe Grüße an Sie, Sie Silbenmeisterin.
Herzlichst, die Ihre, immer glaubend an das, was zwischen uns Menschenkindern möglich ist.
Ihre Worte sind so kostbar gewählt. Man sieht förmlich das zarte Verwehen. Danke für diese Erinnerung an das Lebenswerte.
Liebe Wilhelmine, auch Ihnen danke ich für Ihre trefflichen Worte und sende ganz liebe Grüße aus Lipperlandien, Ihre Käthe.
„trübpupillig“. Ein traurig-schönes Wort. Eine wunderschöne achtsame Beobachtung aus dem Leben, liebe Käthe. VG. Willi
Danke, mein lieber Wildschweinfreund, ich wünschte mir mehr solcher Begegnungen untereinander, doch die Menschen lassen sich hetzen, es fehlt die Zeit für traurigschöne Momente…
Liebe Grüße, stets die Ihre.
puuuuuuuuh, da kommen Erinnerungen hoch, mehrfacher Pflegeheimbesuch in Leipzig 1984 – erklär mir nicht, was Elend ist! Und das im Staate des ständigen „Alles zum Wohl des Menschen“!
Ein Supertext!
Danke für das Textlob, Wertester.
Der Besuch bei dieser Dame war geprägt von sichtlichem Wohlstand, allerdings liefere ich manchmal Blumen in Wohnungen oder Pflegezimmern ab, da komme ich heulend wieder raus.
Aber egal, ob arm oder reich, die Einsamkeit der letzten Tage ist wahrscheinlich gleich fürchterlich.
Liebe Wochenendgrüße, Ihre Frau Knobloch.