Sage mir, Liebste, wieviel Leben…

von Käthe Knobloch

Sage mir, Liebste, wieviel Leben willst Du lieben?

Ach, Liebster, alle Leben will ich lieben! Das erwachende, kalttauige des Lenzens, wo erste Triebe sich regen und Reinheit ihren zarten Schleier über den Rest der Vergangenheit legt. In dem kalte Schauer mahnend nur die Haut aufwellen lassen und dadurch die Gefühle erhitzen in ihrem verwirrendem Sehnen nach Erneuerung.

Das sommerflirrende Leben, welches die Sinne narren möchte vor Glück und in dem mancher Seufzer den spiraligen Glückstönen der Feldlerche gleicht, auch das will ich vollens lieben. Nachtfunkelndes Murmeln und satte Hautmüdigkeit, das volle Odeur von inniger Seeligkeit des leichten Seins.

Wie könnte ich ohne die satte Zufriedenheit des Herbstes sein? Erntezeit und das Besinnen auf Reife liebe ich genauso sehr. Tiefes Licht und Abschiedsgrüße begleiten eine Melancholie, deren ureigene Schönheit die Sinnlichkeit befeuert, Ameisenköniginnen tanzen ihre Krönung gleich mir.

Winterleben, es ist mir so nah und vertraut, ich fühlte es schon tausendfach. Alle Rotwangenseufzer zu beschreiben gleicht einem Ewigunterfangen. Diese Liebe ruht in sich selbst und gleicht doch den stets wandelbaren Kristallgefügen dieser stillen Zeit. Kalt und warm so nahe, wie an kaum anderen Tagen.

Liebster, alle diese Leben will ich lieben und jedes besingen, wie es ihm zusteht. Du kannst mich hören und tanzen sehen, immer wenn Du mit mir bist.

Aber sage mir, Liebste, wieviel Liebe willst Du leben?

Wieviel Liebe? Eine, Liebster, eine. Die Liebe, die alles Leben und Sein achtsam umschließt.