Graugangentlanggnadegedanken
„Ich will dich hier nicht wiedersehen!“ Sein bröckelndes Lachen gilbte die ohnehin gräulichen Wände des langen Krankenhausflures. Gelbgrau war aber auch alles an ihm, selbst seine Kleidung in der er sich stets trotzigmüde auf sein Bett legte; mimikryrte regelrecht die Fehlfarbenheit seiner Haut. Das müde Lächeln zeigte ebensolches Zahnfleisch und die maroden Zahnreihen waren kaputte Belege für die Endgültigkeit des Urteils, welches die Krankheit über ihn in ihrer Grausamkeit und ohne Gnade verhängt hatte. Er war die entkörperte Aufgabe. Es kostete Überwindung sich ihm in Zuneigung zu nähern, er dünstete dieses Schicksal porig aus. Da war der ansonsten abstoßende Kaltrauchbrodem fast eine willkommene Übertünchung. Jeden Tag mehrmals quälte er sich mitsamt seinem Wägelchen voller medizinischem Gerät hinunter zum Rauchplatz. Wer wöllte ihm noch dieses letzte seiner Laster verbieten? Sein bröckelndes Lachen lawinierte jeden besserwissigen Einwand hinweg.
„Ich schulde dir aber noch einen Tanz!“ Meine ebenso patztrotzige Antwort hallte durch den Flur bis in sein Zimmer zurück, denn ich blieb nicht stehen, konnte nicht mal zurückblicken, zu wildweh der Wunsch, diesen Türen endgültig zu entkommen, die sich nur leise schabend aber unaufhaltbar automatisch hinter einem schließen. Lange Tage hatte sich unser Dasein zimmerig geschrägt und nun durfte ich gehen und er blieb. Ich hatte meine Hand zuvor auf seine in Geröchel bebende knochige Brust gelegt und sein Vergehen subkutan spüren können. Sein Blick schickte mich weg und mehr fühlte ich seine Worte, als daß ich sie vernahm. Meine Zeit sei noch nicht verstrichen, werde gesund und tanze andernorts wieder, so hallte es mir kratzstimmig nach. Und ich horchte, gehorchte gar. Fluchtend leicht und gelöst schwer erschien mir dieser Graugang mit einem Mal.
„Aber ich führe…“. Genau. Du hast mich geführt. Für eine kleine Augenblicklichkeit ganz konkret. Und innendrinnig hoffentlich dauerhaft. Dein Mut zum Sterben soll mir lichtend das letzte Grauen vertreiben. Doch bis dahin ist mein Gang hoffentlich noch lang. Und voller Gnade.