Zweifellosrisikozwolebenzeilen

„Im Zweifelsfall immer Risiko, stimmts?“ „Klaro“ lautet meine knappe Antwort während ich mich mehr darauf konzentriere, das unerwartet schwere Rad wieder in seine ursprüngliche Position zu wuchten, als auf die Besitzerin des Velos. Ebenfalls schwere maßgeschneiderte Schuhe schieben sich in mein durch Speichen und Felgen absonderlich eingenormtes Blickfeld. „Gut, das wäre auch meine Entscheidung gewesen.“ Mit dem Aufblicken ächzt nicht nur meine miserable Disponanz, auch meine Denkapparatur jault einrasternd auf. Mich trifft ihr strahlender, lebensfroher Blick wie ein plötzlich aufflammender Scheinwerfer.

Meine Freundin ist eine Schönheit. Ist es immer gewesen.  Oft genesen. Darauf könnte man jetzt richtig verwegene Verse reimen, doch es ist nicht so. Sie ist müde und leidet. Und überläßt mir ihr Fahrrad. Sie und ihr hilfreicher Begleithund sind noch nicht bereit für wilde Velostrampeleyen. Ihre dermaßen offensichtliche Begeisterung über diese Idee macht mich rotwangig. Wir haben es gemeinsam aus dem Keller gewuchtet, unsere Fingerkuppen erzählen fernab aller gutenbergschen Möglichkeiten von dem geteilten Wissen der Schwärze einer abgesprungenen Kette. Die ritzelt wieder zuverlässig, der Dynamo hingegen schwächelt weiter. Wechselspannung in echt.

„Bei mir stehts eh nur im Keller, so ein Rad muß doch gefahren werden.“ Diese Sachlichkeit ist das Ergebnis lebenslanger Krankheit und rührt mich mehr an, als jedes Lamento es könnte. Ich gäbe in diesem Moment alles dafür, das Velo allein für sie flottzumachen und steige dennoch selbst auf. Kurzes Antesten und dann hält mich nichts mehr. “ Viel Vergnügen!“ weht mir ein lachpeperlter Gruß hinterdrein und ich bezickzacke die leerdämmerigen Straßen des Städtchens.

Dass ich Zeitchen später den Kurpark querbejagte, inzwischen ganz ohne Licht, der Dynamo schmollte endgültig ob dieser herben Erweckung; davon erzähle ich lieber nicht. Da sind so seltsame rotweiße Rundschilder, velobemittet, aber nächtens kaum noch Menschen unterwegs. Im Zweifelsfall öfter mal Risiko. Stimmt. Weil Risiko manchmal pralle Lebenslust ist, die durchaus auch zwolebig befüllhornt sein kann und manches Licht heller als elektrisch generiertes Leuchten ist.

Noch paar Zeitchen später überholten professionelle Heinzelmännchen das ganze Velo in einem ersten Lenzexamen, die nächste Prüfung wird ein fulminanter Doppelausritt von Floravelo und Freundinnenrad, aber psssssst, diese Risikolebenszeilen geheimnissen noch vor sich hin…