Mama Löwenherz zürnt mit Bedacht
von Käthe Knobloch
Kind, liebes, was sagst du denn zur Wahl? Ja, ich suche auch nach Antworten. Hier bei Görlitz ist es ja ganz schlimm. Das hätte ich nie gedacht. Damals, nach der Wende, da haben wir erstmal alles geglaubt. Und mußten uns durchwurschteln, naja wie immer eigentlich. Aber das Dorf hier steht doch inzwischen gut da. Wir sind doch nicht die abgehängten, enttäuschten Ossis, von denen jetzt alle am rechten Rand stehen sollen. Nee, ich habe die nicht gewählt. Wie? Klar kenne ich ein paar. Die über dreißig Prozent müssen ja irgendwo herkommen. Was? Neee, denen gehts allen gut. Letzthin noch mit dem Eberhard gesprochen, der kriegt jetzt Vielfliegerbonus. Ganz stolz isser auch auf seinen neuen Suff. Lach nicht, die Ungetüme von Autos heißen doch so. Weilse soviel saufen, daß Beschiss vonner Fabrik her betrieben werden muß. Ab Werk. Wie? Hihi, genau, Manufaktur heißt das ja hochtrabend jetzt. Unzufrieden isser trotzdem. Fährt nach Polen zum Tanken und Einkaufen und meckert, daß sich das kaum noch lohnt, seitdem die Pollaken inner Eurozone sind. Sachter so. Und damit isser nich alleine. Obwohl der hiesige Bürgermeester sonen guten Stand hat. Im Gewerbegebiet sind nu alle Flächen vergeben. Und Brüderchen und Schwesterchen mußten wieder aufstocken. Was sachste? Klar, da warste och schon inner Kinderkrippe, die gibts immer noch und ist beliebt bei den jungen Leuten. Sicher müssense zum Arbeiten heute weiter fahren als wie früher, aber scheen zum Leben isses hier. Eingekooft wird eh im Internetz, die Dorfstraßen sind fast zu kleene für die breiten Zustellautos vonner Post und wer da noch so alles Pakete rumfährt… Wie bitte? Ausländer? Hör uff! Die paar fallen kaum auf und die Kaufkraft der schnieken Polinnen ist ja schließlich auch willkommen. Oder der Dönermann. Oder der vietnamesische Gemüsehändler. Oder… Was? Klar ist wieder Kirmes am Wochenende. Mit Eintrittsgeld. Und für fünfundzwanzig Euro sogar mit Essen von sonem neumodischen Grill. Der Vorverkauf brummt, sagt die Edeltraut. Schlagerabend. Naja. Kicher nich so, ist immerhin noch besser als die unsäglichen Oktoberfeste allerorten. Obwohl, so wahltechnisch sind wir Ossis ja nu mit den Bayern gemein…
Schön, dasste nu wieder lachst und ich mit. Könnte einem ja echt manchmal vergehen. Ja, wir sehen uns dann. Bis dahin und… ich hab dich lieb.
Erster!!!
Meine liebe Frau Knobloch, Sie sindne Wucht. Ich danke Ihnen herzlich für diesen Ihre Publikation eines aufschlussreichen Gesprächs. Ein Kracher von einem Nagelkopftreffer. Und die Mama Löwenherz. Also, so eine Guggerin hat meine Sümmpathie.
Überhaupt stellt sich mir ja die Frage, gegen was die sogenannten Protestwähler eigentlich protestiert haben mit ihrer Stimme.
Und nicht nur bei Ihnen – nein, auch hier beim Klassenfeind im kapitalistischen Ausland (pardonk) – – äähhh in der westlichen BRD.
Mir kommts manchmal so vor, als würde da gegen die eigenen diffusen Ängste revoltiert. Nur eben statt aktiv etwas zu verändern, wählt das Volk trotzig rechts. Oder die stets von Armut bedrohten Zahnärzte und Rechtslinksanwälte die seit Jahren überflüssige FastDrittstärkstePartei.
Es ist zum . . ach was, lieber neige ich mich Menschen wie Ihnen zu, Ihr Herr Ärmel (stets! und aus dem Bembelland)
Mein lieber Herr Ärmel,
nun haben Sie selbst so trefflich reflektiert, daß ich Ihnen nicht genug danken kann. Es sind wohl tatsächlich die eigenen Ängste, die da gebannt werden sollen. Unbenamste Ängste, geboren aus Feigheit und Fremdheit. Und die Sorge um den Verlust des eigenen Wohlstandes, was einfach nur menschlich ist, aber eben auch kreuzgefährlich.
Ihnen sende ich unängstliche Grüße und zwar immens zugeneigt, Ihre Frau Knobloch, mamalöwenherzgrüßend.
Es gibt Sie noch ppffff – – und ich fürchtete bereits ~~~
Ihre wohlgesetzten Worte, meine höchstwertgeschätzte Frau Knobloch, regen mich allenfalls zu weiterem nachdenken an. Allemal.
Wer in sich keinen Halt und kein Vertrauen (Selbstvertrauen?) findet, der erwartet es von aussen. Und mit der Ungeübtheit im Denken oder schlichtweg der Denkfaulheit läuft man denen hinterher, die einem ein Gerüst versprechen.
So entstehen Diktaturen. Und wo kann man sicherere und wohlgefügtere Lebenswege beschreiten als in einer Diktatur. Man darf bloss nie anfangen zu denken. Dann wird man entweder Spitzbub oder Opfer.
Ihnen sende ich nicht minder unängstliche Grüße und zwar mindestens ebenso immens zugeneigt, Ihr Herr Ärmel, (mit der Bitte angelegentlich Mama Löwenherz zu grüssen)
Ihre Denkakrobatik jagt mir einen kalten Schauer übers Gemüth, mein lieber Herr Ärmel. Denn mir fällt sogleich der fehlende Halt in einer vom Konsum beherrschten Zeit auf. Ich nenne unsere Epoche gerne Konsumismus und dessen Diktatur hat „Friss oder stirb“ auf seiner Flagge stehen ~~~~~
Da gabs doch mal…. Rumsuchgeräusch… Tastaturgeklacker… Mudcrutchpausestille… Ahja, jetzt rumpelts mächtig:
Ihnen unrumpelige Guttönabendgrüße und natürlich angelegentliche Grußwunscherfüllung als Versprechen, Ihre Frau Knobloch, jedwedtönend zugeneigt.
Ich danke Ihnen für Ihren verständnisvollen Kommentar, meine liebe Frau Knobloch. Nicht zu vergessen die zwar betagte jedoch noch immer gültige Hosennummer.
Ihr Herr Ärmel (in DuroderMoll gleichermassen zugeneigt)
Wie beinahe überall, die Zustände. Diese wunderbare Löwenmutter denkt mit, denkt mit…und liebt ihr Kind so sehr. Es stimmt: Kraft, Lachen, Lebensliebe – das soll so bleiben immerdar.
Gruß von der Rheinhessischen Regenfrau
„Wie beinahe überall, die Zustände.“ Damit sprechen Sie den Punkt an, liebe Wildgänsige. Ost, West, Nord, Süd mit den jeweiligen Befindlichkeiten, wir ähneln uns mehr, als wir denken.
Regentropfgrüße Ihnen retour, Ihre Käthe Knobloch.
„Eine Schwalbe macht noch keinen Sommer“ und ein SUV-Fahrer noch kein Wunderland. DIe einen so, die andern so. Hatte eine Woche vor der Wahl ein Klassentreffen im Saaletal. POS, 40 Jahre 10.Klasseabschluss – und dort hörte sich das deutlich anders an.
Klar leistete man sich dort sein Bier für 3,50 und 4,50 der halbe Liter und dann wurden die kommenden Rentenbeträge verglichen – und die Hoffnung auf möglichst lange Gesundheit zwecks Schwarzarbeit fürs Dazuverdienen… Rede ich statt dessen mit meinen Eltern (Anfang der 90er Rentner geworden) dann klingt das so wie oben bei Ihnen. Da flossen noch die dicken Renten. Da ist alles gut und hat alles gut zu sein. Da wird nicht mehr reflektiert.
Eine Schwalbe macht noch keinen Sommer und ein halber Liter Bier keinen Vollrausch, werter Bludgeon.
Aber genau das ist ja eigentlich das Thema: Dieses Jammern auf höchstem Niveau. Wobei die Himmelsrichtung dabei kwasi keine Rolle spielt. Außer gerne bei der Schuldzuweisung.
Jeder hat da seine eigenen Beispiele und kann nur von denen zeugen, ein Bild entsteht dann aus der Gesamtheit. Trefflich dazu ein alter, zeitloser Text:
Hans Negativ /Pankow 1984
Die Luft ist vergiftet,
die Gewässer vermistet,
das Land ausgesaugt.
Von Geiern beklaut,
vom Hunger geplagt,
von Krankheit zernagt,
ohne Rast, ohne Ruh´
geht´s dem Untergang zu.
Städte veröden,
die Leute verblöden.
Durch die Arbeit zerhackt,
in Familien versackt,
im Konsum ertrunken,
ins Fernseh´n versunken,
ohne Rast, ohne Ruh´
geht´s dem Untergang zu.
Alles Scheisse,
ob in Nord, Ost, Süd oder West.
Immer nur Horror
und geistige Pest.
Die Reichen sind gierig,
die Armen sind tierisch.
Die Leute idiotisch,
die Welt ist chaotisch.
Die Welt ist beschissen,
in Welten zerrissen.
Ohne Rast, ohne Ruh´
geht´s dem Untergang zu.
Alles Scheisse,
ob in Nord, Ost, Süd oder West.
Immer nur Horror
und geistige Pest.
Alles Scheisse…
Ich
bin die einzige Alternative.
Ich
bin die wahre Alternative.
Ja , ich
bin die reale Alternative.
Ich
bin die totale Negation.
Reflektierende Grüße, Ihre Frau Knobloch.
Nun: Dem Refrain stimme ich zu; ob aber eine kommende Rente in Höhe von 800 Euro „Jammern auf hohem Niveau“ ist, lass ich mal einfach so stehn. Freun wir uns auf Wirtschafts- oder Sozialminister Lindner und Selbstverwirklichendes Arbeiten in Vollzeit mit 70.
Alles Prima, echt irre toll,klasse,prima…(Thommie Beyer; auch zeitlos.)
Als jahrelang Selbstständige muß ich über Rente anders denken und auch in Ihrem 800,- Euro Beispiel steckt die Tücke im Detail. In einem abbezahlten, instandgesetztem Häuschen mit Garten könnte ich vielleicht davon leben. Würde ich Pflegefall… nicht auszudenken!
Mir geht es tatsächlich um die Jammerer, die mir tagtäglich begegnen und denen beispielsweise zwanzig Brotsorten abends beim Aufbäcker nicht mehr genügen.
Wer Herrn Lindner wählte, kann sein Wahlprogramm nicht gelesen haben und wird bitter aufwachen. Zumindest die sogenannten Protestwähler, die der achso niedlichen Werbung aufsaßen.
Tompettygedenkradiolauschende Grüße, die Ihre.
Würde ich Renten-/Pensionsmäßig nur an mich denken, hätte ich kein Problem. Ich bin aber damit alt geworden, dass alle meine Gesprächspartner mir meine mutmaßlichen (Beamten-)Einkünfte neidvoll (mal mehr, mal weniger spassig formuliert) vorwerfen. Vor Schröder hätte sich das im Alter wenigstens nivelliert. Nach Schröder weiß ich, dass das weitergehen wird. Auch halte ich vor allem das verlogenen Gejammer unserer Lobbymarionetten über die Rentenlücke und die „Not“wendigkeit der Rentenniveauabsenkung für Volksbeschiss. Riesterei für organisierten Betrug. Das macht dann schon mal 3 sogenannte Volksparteien zu nicht mehr wählbaren Ansammlungen von Kapitalklaqueuren.