… und dann und wann ein weißer Elephant.*
von Käthe Knobloch
Der Rummel meiner Kindheit beschränkt sich auf wenige Tage im Jahr voller Kuriositäten auf dem Dorfplatz hinter der Kneipe. Sich im Kreise drehende Feuerwehren, Polizeiwagen, beschnallte Pferde und ja, auch rosa Schweinchen zum Besteigen. Lautstark heischten Losverkäufer um Aufmerksamkeit und das Anschlagen der Hauptgewinnsglocke zog kurzfristig alle Blicke dahin. Das war die beste Gelegenheit, um die gläsernen Bierhumpen zu stiebitzen, das Pfandgeld wandelte sich rasch in krachend süßsaure kandierte Äpfel oder klebrige Zuckerwatte, die es nur an diesen Tagen gab. Später dann das Glücksgefühl des im Kreise Fliegens mit dem Kettenkarussell. Ringe werfen nach goldenen Fischchen, ein Spiegelkabinett, dessen gläserne Zerrbilder bebten mit dem darin gefangenen Lachen. Einen weißen Elephanten sah ich nie.
Zeitchen später dann ein kurzes Schauen auf die großen Rummelplätze. Schwindelnd machende Riesenräder und magenumstülpende Sausereien, die ständig scheinbar ihren bannenden Schienen entkommen wollten. Gruselkabinette, deren Kunstgeschöpfe bald die Außenwelt nur zu parodieren brauchten. Die mit gediegener Gemütlichkeit getarnten Festzelte, in denen jedoch ein ganz einsamer Wahnsinn tobte. Konzentrierter Konsum, Überfluß und Völlerei, die in Exzessen sich ergossen und ein dumpfes Bassen verbannte die feinen Karussellmelodien. Zwar drehten sich noch immer bunte sagenhafte Tiere in ihrem Kreise, doch auch hier war kein weißer Elephant zu sehen.
Letzthin führten uns unsere Reisewege in eine große, alte Stadt. Strasbourg, allein der Name verströmt Geschichten. In mancher wollten wir uns wohl wiederfinden, doch die ganze Stadt war ein einziger Rummelplatz. Menschen gebaren sich als Marktschreier und priesen ihren Tand an. Elektronische Handfesseln ersetzten Spiegelkabinette und Geisterbahnen. Zuckerwerk und importierte Stehrümchen an jedweder Ecke und ein Gedränge wie auf dem Jahrmarkt. Jedes Los ein Hauptgewinn, jeder Handel nie wieder so billig abzuschließen Dazwischen patroullierten Uniformierte mit kaltem Blick und den Maschinengewehren im Anschlag. Durch all den Konsumlärm dräute eine Melodie an uns heran. Und dann habe ich ihn gesehen, meinen weißen Elephant.
* Titel in Anlehnung an Rainer Maria Rilkes „Das Karussell“
´tschuldigen Sie bitte, meine liebwerte Frau Knobloch, dass ich so lange gebraucht habe. Ich wollte Ihnen sogleich nach dem ersten Lesen Ihres feinen aktuellen Berichtes einen Kommentar senden. Meine Beeindruckung jedoch war zu mächtig. Die ist Ihnen gelungen.
Aber dann nochmals dem Werk Cyrilovs lauschen.
Und Ihre grandios aufgenommene Fotografie mehrmals intensiv anschauen um ja auch alle Details zu erfassen.
Mein inneres Auge folgte dem Bogen der Kleinkäthe (pardonk!) von einem dörflichen Rummelplatz und von einem Kettenkarussell geschwungen Ihrer derzeitig blühenden Schönheit zur Place Kléber. Dort drüben links, erst durch dieses und dann vorn rechts durch das zweite schmale Gässchen hindurch zu dem kolossalen Münster. Zu einer Einladung ins Krokodil hätte es nicht gereicht (das hat ohnehin einen seiner Sterne verloren).
Sie ahnten da vielleicht schon den weissen Elefanten. Aber zu einer dieser altmodischen Tüten voller marrons chauds und beiläufig vielleicht einem Edelzwicker . . . ach, meine Höchstwertgeschätzte… ach&hach – – einmal nur Ihr Reisegfährte zu sein. Egal ob mit oder ohne weisse Elefanten. Es gibt soviel zu entdecken.
Ich grüsse Sie ebenso allerherzlichst wie bewundernd, Ihr Herr Ärmel (selbstredend auch jahreszeitlich entsprechend bei moules frites zugeneigt /// oder ziehen Sie etwa Äppelwoi und Handkäs´ vor?)
Mein herzverärmeltster Kommentator,
wie mich diese Ihre Lesezeitreisebegleitung freut, dessen brauche ich Sie nicht zu versichern. Dieses Rilkegedicht, es hat mich schon immer besonders angerührt, ohne das Wissen ob der tatsächlichen Existenz einer solchen Karussellfigur. Sie ahnen meine Verblüffung in all diesem Gewusel Herrn Rilkes Pfade zu betreten. Es war, als hätte die Stadt für einen Moment alle Zeiten angehalten~~~
Einen Edelzwicker von Ihrer Hand… gnihihi, welch famose Doppeldeutung da möglich ist… also, einen Edelzwicker von Ihnen gereicht zu bekommen, ja, bei der Vorstellung komme ich auch in Verhachungsahnungen.
Und es gibt nichts zu entschuldigen, mein lieber Herr Ärmel, ich bin ja auch kommentatorisch etwas schwachbrüstig unterwegs, dem Tagewerk ist’s geschuldet. Darum Ihnen meinen Dank und natürlich die zugeneigtesten Grüße, immer die Ihre, egal ob vermuschelt, veräppelt oder verkäst.
Pst, meine liebe Frau Knobloch, ich will Sie nicht wecken noch edelzwicken. Leidglich einen herzlichen Frühmorgendank sende ich Ihnen bei dem Gedanken; sie zu sehen [zu begleiten?] auf einem Rilkeschen Pfad im Gewusel einer lebhaft chaotischen Stadt.
Ich wünsche Ihnen einen wohlgelingenden Tag, Ihr Herr Ärmel (natürlich auch in jeglichem Gang welchen Getriebes auch immer tunlich zugeneigt)
Tunlich zugeneigt? Eine Betuung von Ihnen…hach… allein die Ahnung dessen ließ mich schon morgens flatterig werden. So beschwingschwungt gelingt das Tagewerk ganz einfach wunderbar, liebster Freund.
Flinkfleißige Grüße aus dem klingenden Floratelier, stets die Ihre, auch spitzentanzschwebend zugeneigt.
Ich habe mir meinen Kommentar auf Ihren Kommentar extra bis zu dieser späten Abendstunde zur Seite gelegt, um Sie nur ja nicht von Ihrem hochspezialisierten Tagewerk abzulenken.
Dass Sie mich lieber Freund nennen, veranlasst mich nun, die Kellertreppe zu benutzen…
Ihr Herr Ärmel, Sie, meine ferne Freundin, aufs Allerherzlichste grüssend und Ihnen zu jeder Zeit zugeneigt