bittemito

Tag: Abbild

Dreimalhinsehdreizehnsinn

Minuten, Stunden und gar Tage verstoben zuletzt. Wir fühlten uns sicher in einer ureigenen Zeitblase umfangen. Vorgestern rief ich nächtens staunend die anderen herbei, hatte wohl meinen Zeitgeist überraschend verlassen: Der Dreizehnte mondete uns wolkenblinzelnd an.

Gestern strahlte für einen glückseeligen Blick der Mondenbruder über Fluss, Schleuse und Brücke. Warf dann seinen samtenen Vorhang aus Wolkengeflecht vor unsere applaudierenden Augen und verschwand.

Heute sah ich Zeitchen zuvor noch ein Leuchten, liess rasselnd wieder den Fensterladen hoch. Staunte still und stumm am offenen Fenster. Sandte Gebete jedweder Art für ein Mondenzwinkern hinaus. Nun ist nach Mitternacht. Meine Lieben und ich haben den dreizehnten Mond um vieles gebeten. Was davon in unsere Pupillen fließt, bleibt mondendes Geheimnis.

Adventspezialansinnenappetenz

‚~~~Hiermit, Sie oberallerfingerfertige Blumenverwandlerin, bestelle ich einen Adventskranz gebunden aus Rosmarinzweigen und Feigenästen. Umwunden mit goldenen Seidenfäden, Hagebuttenstängelchen und Zanderflossen. Aufgehängt an Saffianfäden mit Schleifen aus Färberweid. Und nichts weniger. Und keine Kerzen, bitte schön.~~~‘

Zeitchen zuvor wurde mir dieser Wunsch von einem hochwertgeschätzten Herrn mit Hut angetragen. Natürlich eilte ich röckeraffend solch hohes Begehr zu erfüllen. Was mir auch fast gelang. Kein Zander gab freiwillig seine Flossen dafür her, was ich tiefherzig verstehe. Und auf Schleifen verzichtete ich aufgrund einer temporären Scheißschleifchenscheu.

Stattdessen fügte ich einheimisches Gehölz hinzu und als besonderes Kleinod meiner Wertschätzung eine kostbare Feder vom blauen Vogel der Glückseeligkeit. Rotbackenäpfelchen zieren den Kranz ebenso wie sie dem Pragmatiker als Wegzehrung dienen können. Die Feigen hingegen müßten noch mehr Sonne atmen für treffliche Verzehrbarkeit.

 

Allen Buchstabenballerinen und Letterngesellen wünsche ich einen ruhigen und friedlichen Advent. Besinnen wir uns auf unsere ureigene Kostbarkeit und dass dies uns manchmal zur Genüge reicht. Ein paar gute Worte, ein Lächeln, das in Pupillen schimmert und eine stille Dankbarkeit. So wunderbar gewichtig leicht.

Draussen im System

Ein kurzer Anruf und ich bin wieder Draussen. Draussen im System. Nach wochenlangem Drinnen, erst in selbstgewählter Quarantäne und dann freiwillig nur intervallig öffentlich unterwegs; bin ich wieder relevant für das System. Wobei meine Relevanz nicht wirklich dem System an sich nützt. Weil diese Charakterisierung einzelner Gruppen und den darin verankerten Menschen verdammt gefährlich ist. Kommt nach der Zweiklasseneinteilung bald die Unterscheidung in bedeutsame und unbedeutende Menschen? Und welches System könnte das für sich beurteilen?

Meine Relevanz besteht nur in der Funktion eines Bindegliedes. Als Betreuer für einen Menschen, der sich selbst nicht helfen kann. Zwischen Familie und professioneller Tagesbetreuung agierend. Nach wochenlanger Stagnation muß die Förderung von Menschen mit erheblichen Einschränkungen wieder anlaufen. Ich schlafe eine Nacht äußerst unruhig, grübele wie das in diesem Falle kontaktfrei ablaufen könnte. Und erkenne: Es geht nicht. Also muß medizinischer Mundschutz her, Handschuhe und vor allem ein konkreter Plan. Meine Relevanz ist am ehesten mein Verantwortungsbewußtsein.

Ein kurzer Anruf genügt und ich bin wieder Draussen. Rückblickend auf die Drinnenzeit kann ich reinen Herzens sagen: Ich habe das bestmögliche aus und in diesen Tagen gemacht. Danke für die virtuelle Begleitung, es war kwasi bonfortionös wieder hier zu sein.

 

Am seidenen Faden hängt zitternd mein Herz

Sensilibität ist es, die fehlt. Sensibilität im Umgang miteinander und vor allem in dem Konsum meinungsbildener Medien. Das war schon vor der Pandemie so und wird durch sie nur noch deutlicher. Weil Angst unsensibel macht. Wer sich ängstigt (und es ist sekundär, ob diese Angst tatsächlich begründet ist), sorgt sich nicht zartfühlend, sondern spielt Hau-Den-Lukas als wäre er auf der Kirmes. Hau drauf. Hinterfragen und vielleicht ein behutsames Einfühlen in die Sichtweise eines anderen scheint unmöglich.

Dabei gelingt es ja und manchmal erscheint es im Alltag wie selbstverständlich. Ein Lächeln in den Augen, eine einladene Geste mit den Händen oder einfach ein kurzes Abwarten entzerrt viele schräge Situationen. Und die unentzerrbaren können wir durchaus einfach mal so stehen lassen. Auch virtuell. Das ist aus Selbstschutz vielleicht sogar die bessere Entscheidung Denn wir alle haben ein Herz, das zitternd am seidenen Faden hängt. Passen wir gut darauf auf. Es ist kostbar.

Pupillenpurzelbaumportrait

Wenn die Welt Kopf steht, ist eine eigene Ansicht unumgänglich.